Kategorie: Gewässer- und Naturschutz

Am 10. März 2020 fand in Potsdam der 2. Aalworkshop statt. Die Begrüßung und Einführung in das Thema erfolgte durch Herrn Ronald Menzel als Vorsitzender der Aal-Initiative. Der Aalworkshop fand auf den Tag genau zum 11. Jahrestag der Gründung der Initiative zur Förderung des Europäischen Aals e.V. (IFEA oder Aalinitiative) statt. Ziele des Aalworkshops sind neueste wissenschaftliche Erkenntnisse vorzustellen und das Zusammenwirken aller Aalakteure zu befördern. Die Moderation der Veranstaltung übernahm Herr Alexander Wever.

Zustand des europäischen Aalbestandes

Dr. Willem DeckerHerr Dr. Willem Dekker von der Swedish University of Agricultural Sciences referierte „Zum Zustand des Europäischen Aal-Bestandes.“ Dekker zeigt die Spannbreite und verschiedene Extreme zur Interpretation der aktuellen Situation des Aalbestandes. Das eine Extrem besteht in der permanenten Postulierung eines kontinuierlichen Rückganges der Glasaale mit einem Katastrophenszenario und der Aalfischerei mit dem Resultat des Aussterbens der Spezies. Das andere Extrem sieht überhaupt keine Gefährdung und befürwortet unkontrollierte Fischerei. Dekker sieht die Realität in der Mitte: einen Anstieg des Glasaalaufkommens seit 2011, mehr als man nach jahrzehntelangem Rückgang erwarten konnte. Herr Dekker benennt die Definition einer vom Aussterben bedrohten Art nach der International Union for Conservation of Nature (IUCN). Diese definieren 5 Kriterien von denen aber nur eine auf den Aal zutrifft. Dieses Kriterium, nämlich der Bestandsrückgang von 80-90 % über 3 Generationen trifft auf den Aal zu. Der Glasaal-Bestand ist über Jahrzehnte rückläufig. Trotzdem ist der Aal vom Aussterben noch weit entfernt! „Kümmere Dich jetzt um den Bestand oder das Aussterben wird zur realen Wirklichkeit“ und „Erwarte keine Wunder“ so Herr Dekker. Es gilt die Sterblichkeit zu begrenzen und die Entwicklung des Bestandes zu überwachen. Der Schutz und der Anfang der Bestandserholung des Aals wurden realisiert. Das heißt, der Aal befindet sich irgendwo in der Mitte zwischen dem Aussterben und sicherem Bestand. Auch wenn es noch lange dauern wird, bis sich der Aalbestand erholt hat, zeigt der jüngste Aufwärtstrend, dass die EU Aalverordnung ein guter Start ist. Die Vervollständigung des vereinbarten Schutzniveaus und die Verbesserung der Umsetzung der Aalverordnung lassen hoffen, dass sich der Aufwärtstrend des Glasaalaufkommens auch in Zukunft fortsetzen wird.

Projekte zur Bestandserhöhung des Aals

Das „Pilotprojekt Aallaicherbestandserhöhung im Einzugsgebiet des Landes Brandenburg und die Unterstützung von Aalbesatzmaßnahmen durch die Aalinitiative“ stellte Herr Ronald Menzel vor. Ziel des Pilotprojektes ist es, den Aallaicherbestand im Elbeeinzugsgebiet des Landes Brandenburg durch Aal-Besatz zu erhöhen. Zentraler Antragsteller und Projektkoordinator ist die Fischereischutzgenossenschaft „Havel“ Brandenburg eG. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch das Institut für Binnenfischerei (IfB). Aalbesatz ist auf Grundlage der EU-Aal-VO durch den Europäischen Fischereifonds förderfähig. Voraussetzung für die Teilnahme am Pilotprojekt ist die Abwanderungsmöglichkeit der adulten Aale aus den besetzten Gewässern. Die Prüfung und Freigabe der zu besetzenden Gewässer erfolgt durch das IfB. An dem Pilotprojekt nehmen 169 Fischer und der Landesanglerverband Brandenburg teil. Nach Erhalt des ersten Zuwendungsbescheides über ca. 700.00 € Fördermittel Ende 2005 erfolgten erste Aalbesatzmaßnahmen mit vorgestreckten Aalen im Jahr 2006. Mangels Verfügbarkeit von Glasaalen zu angemessenen Preisen konnten nach 16 Jahren ausschließlichem Besatz mit vorgestreckten Aalen (Av) am 09.04.2010 erstmals wieder Glasaale in Dahme, Havel und Spree ausgesetzt werden. Dank einer Zuwendung der Aalinitiative in Höhe von 90.000 € zuzüglich 360.000 € Fördermittel aus dem EFF wurden 1.000 kg Glasaale (3 Mio. Stück) im Wert von 450.000 € in die Gewässer der Projektteilnehmer ausgesetzt. Von 2006 bis 2020 setzten Fischer und Angler im Rahmen dieses Pilotprojektes insgesamt 66 Mio. Jungaale (22 Mio. Av und 44 Mio. Glasaale) in die Brandenburger Gewässer aus. Diese enorme Leistung ist ein Resultat des optimalen Zusammenwirkens aller Akteure (Nutzer, Verwaltung und Wissenschaft). Dennoch werden europaweit die Besatzziele der Aalmanagementpläne und der EU-Aal-VO nur zu 50 % erreicht.

Deshalb ist die Besatzförderung ein zentrales Anliegen der Aalinitiative. Sie finanziert bundesweit vorrangig zusätzliche Besatzleistungen in Kombination mit einer Mittelaufstockung aus dem EMFF.

Zum Erreichen der Besatzziele sind nach Auffassung der Aalinitiative folgende Verbesserungen erforderlich:

Aalschutz mit den Nutzern bringt mehr als nicht realisierbare Verbote, was bedeutet:

[blockquote author="Ronald Menzel, Vorsitzender der Aalinitiative"]Lassen wir die Fischer fischen und sorgen wir mit ihnen zusammen für eine verantwortungsvolle Auffüllung, Erhaltung und Nutzung des Europäischen Aalbestandes[/blockquote]

Mythen und Fakten über den Lebenszyklus der Aale

Herr Prof. Reinhold Hanel vom Thünen-Institut in Bremerhaven berichtete in seinem Kurzvortrag über Mythen und Fakten sowie neue Einsichten in die Larvenökologie des Europäischen Aals. Er berichtete von Expeditionen des Instituts in die Sargassosee. Dort werden mit Planktonnetzen mit einer Maschenweite von 0,5 mm in Wasserschichten mit einem Temperaturfenster zwischen 22-24 °C nach Aallarven gefischt. Es ist aus vorangegangenen Expeditionen bekannt, dass sich die Larven am häufigsten in diesen Schichten aufhalten und bewegen. Erschwerend bei diesen Expeditionen ist jedoch, dass sich die ozeanischen Fronten sehr unterschiedlich ausprägen und ständig wechseln. Hinzu kommt, dass die Ausdehnung des Laichgebietes immer noch unklar ist. Die Suche nach den Aallarven gestaltet sich deshalb immer wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Es ist auch noch unklar, wie die Larven aus dem Strudel der Sargassosee in den Golfstrom gelangen. Neben den Larven des Europäischen Aals werden auch Larven anderer Aale gefangen und identifiziert. Beginnend 1983, über 1985 bis 2011, ist ein Rückgang der Europäischen Aallarven auch schon in der Sargassosee feststellbar! Wird die künstliche Vermehrung beherrscht, wird sie die Sicherung der Aalbestände unterstützen. Die Erbrütung von Aallarven ist auch schon gelungen. Die Ernährung der Aallarven stellt gegenwärtig jedoch immer noch ein scheinbar unüberwindliches Hindernis dar. Es ist unbekannt was Aallarven fressen! Zum Nahrungsspektrum der Aallarven bestehen verschiedene Hypothesen, welche von der Aufnahme kleiner Quallenstadien bis zum Verzehr von Meeresschnee (Partikelregen von abgestorbenem organischem Material in die Tiefsee) reichen.

Qualitätsmanagement beim Aalbesatz

Die Qualitätskontrolle zur Gewährleistung einer hohen Effektivität des Aalbesatzmaterials war Inhalt des Vortrags von Herrn Erik Fladung vom IfB. Besatzaale sind rar und teuer. Eine möglichst hohe Überlebensrate und eine effiziente Verwendung des Besatzmaterials werden deshalb über eine wissenschaftliche Begleitung sichergestellt. Deshalb überprüft das IfB seit 2006 die Transportbedingungen, die Gewässerauswahl, die Qualität des Aalbesatzmaterials sowie den Besatz und die Folgeverluste. Bei den Transportbedingungen sind verschiedene Parameter von der Transportdauer, den Transportdichten, Sauerstoffgehalten, Gassättigungen, pH-Werten bis hin zu den Temperaturdifferenzen von großer Bedeutung. Kritisch werden von Herrn Fladung die Sauerstoffsättigung des Transportwassers und die Temperaturdifferenzen zum Besatzgewässer hervorgehoben, welche einen Einfluss auf die Transportverluste ausüben. Zu hohe Sauerstoffgehalte sind oft kritisch, da eine Sauerstoffübersättigungen mit einer Gasblasenerkrankung bzw. mit Kiemenschädigungen einhergehen kann. Parameter zur Beurteilung der Qualität des Aalbesatzmaterials sind u. a. Länge, Masse, Geschlecht, Artzugehörigkeit, Kondition sowie Gesundheits- und Parasitenstatus (z. B. Befall mit dem Schwimmblasenwurm Anguillicola crassus). Die Qualität der A0 und AV wird von Herrn Fladung als zumeist gut eingeschätzt. Natürlich existieren Schwankungsbreiten. Ein positiver Rückgang von Anguillicola crassus bei den AV seit 2011 von maximal 16 % auf unter 1 % kann festgestellt werden. Der Schädigungsgrad der Schwimmblasen der AV ist gering. Insgesamt kann dem Aalnachwuchs ein unauffälliger Gesundheitsstatus ohne ungewöhnliche Häufungen an Parasiten oder Deformationen bestätigt werden. Zum Schluss ging Herr Fladung noch auf die Rekrutierung des Aales im Elbeeinzugsgebiet ein. Nur ein geringer Anteil der Aal-Rekrutierung erfolgt aus natürlichem Aufstieg. Der Großteil des Rekrutierungserfolgs ist hingegen den Besatzmaßnahmen zuzuordnen.

Angler und Fischer stützen die Bestände in Deutschland mit umfangreichen BesatzmaßnahmenAngler und Fischer stützen die Bestände in Deutschland mit umfangreichen Besatzmaßnahmen

Gründe für die Aalsterblichkeit

Herr Dr. Janek Simon vom IfB stellte Ergebnisse der Untersuchung der Mortalitäten vom Fang bis zum Aussetzen von Glasaalen vor. Glasaalsterblichkeiten bestehen sowohl beim Fang, in der Hälterung und beim Transport, als auch beim Besatz. Mortalitäten wurden deshalb bei Fang und Hälterung von Glasaalen in Frankreich sowie beim Transport zum Verteilerpunkt und zum Besatzgewässer in Deutschland durchgeführt. Fischer verschiedener Aaleinzugsgebiete in Frankreich wurden von französischen Forschern und Wissenschaftlern des IfB begleitet und verschiedene Fangparameter wie Fangnetze, Fahrgeschwindigkeiten beim Fang, Befischungsdauer und Befischungstiefe ermittelt. Die Anzahl toter und moribunder Aale vervollständigte diese Untersuchungen. Die Charakteristik der Fanggeräte und der Fischzüge ist sehr unterschiedlich. Der Fang erfolgt meist mit kleinen Kuttern in den Ästuarien der Flüsse. Die Spanne der Fangmenge erstreckt sich von 0,5 bis 17 kg Glasaale je Ausfahrt. Interessant ist, dass die Verluste bei SEG-zertifizierten und nicht zertifizierten Glasaal-Fischern sehr unterschiedlich ausfallen. Auch die Überlebensraten der Glasaale in den Aquarien ist bei den SEG-zertifizierten besser als bei den nicht zertifizierten Fischern. Bei der Handnetzfischerei ist eine sehr viel geringere Mortalität feststellbar. Die Glasaal-Sterblichkeit summiert sich über die unterschiedlichen Handhabungsschritte auf durchschnittlich 15 % vom Fang bis zum Aussetzen. Dies bedeutet, dass von 100 gefangenen Glasaalen 85 überleben. Hier gibt es noch Verbesserungspotential. Hervorzuheben ist, dass die ermittelte Verlustrate von 15 % vom Fang bis zum Aussetzen weit unter einer bislang publizierten Verlustrate von 40 % allein für den Glasaalfang liegt. Weitere Daten sollen an dieser Stelle nicht genannt werden, da Herr Simon und Kollegen eine referierte Publikation eingereicht haben welche sich im Zulassungsprozess befindet.

Nachhaltige Nutzung des Europäischen Aalbestandes aus Sicht der Sustainable Eel Group (SEG)

Der Chairman der SEG, Herr Andrew Kerr, berichtete über 10 Jahre SEG und die Entwicklung des SEG-Standards zur Wiederauffüllung und nachhaltigen Nutzung des Europäischen Aalbestandes. „Bending the curve“ das bedeutet, der 30-Jahre-Trend der Abnahme der Glasaalrekrutierung wurde gestoppt. Laut SEG ist das ein klares Indiz für die Wirksamkeit und den Erfolg der Aalverordnung. Das erste Meeting der SEG fand 2010 in Hamburg statt. In Potsdam wurde die SEG 2016 als internationale Führungsorganisation zur Erhaltung des Aals etabliert. Die SEG begrüßt ausdrücklich den Erhalt der Aalverordnung und appelliert an die EU-Mitgliedsstaaten diese auch konsequent umzusetzen. Der SEG Standard, dessen Kern eine komplett verfolgbare Wertschöpfungskette ist, wird zunehmend von Fischern über die Aalfarmen bis zu den Verarbeitern akzeptiert.

Verantwortungsvoller Konsum zur Wiederherstellung des Aalbestands

Über Bedeutung des Eel Stewardship Funds (ESF) referierte Herr Alexander Koelewijn Vorsitzender der niederländischen Aalinitiative. Er erläuterte, wie verantwortungsvoller Konsum zur Wiederherstellung des Aalbestands beiträgt. Die Fisch-verarbeitende Industrie hat realisiert, dass die Aalbestände eingebrochen sind und dass etwas unternommen werden muss. 2007 kam die Aalverordnung 1100/2007 der EU zum Tragen. 2009 wurde der Aal in die Liste der gefährdeten Arten aufgenommen (CITES). Dies war auch höchste Zeit, da ein Großteil der gefangenen Glasaale nach Asien exportiert wurde. Von den gefangenen Glasaalen gehen nach Schätzungen aber immer noch 100 t illegal in den Versand nach Asien, 18 t in die Aquakultur nach Europa und nur 13 t werden für den Besatz verwendet. Die EU Aal Regulation 1100/2007 sieht u. a. folgende Maßnahmen zum Schutz des Aals vor: 1. Reduzierung der kommerziellen Fischerei, wenn keine von der EU-KOM genehmigten Aalmanagementpläne vorliegen; 2. Reglementierung der Angelfischerei; 3. Besatzmaßnahmen; 4. Verbesserung der Durchgängigkeit der Fließgewässer und; 5. Transport von Silberaalen um Wanderhindernisse herum; 6. Bekämpfung von Prädatoren und 7. zeitweiliges Ausschalten von Wasserkraftwerken. Was will die Aal-Industrie? Sie will die Erholung der Aalbestände beschleunigen. Dazu hat sie im ersten Schritt einen Fonds, den Eel Stewardship Fund (ESF) errichtet, der Bestandsaufstockung, praktische Hilfe und wissenschaftliche Forschung finanziell unterstützt. Des Weiteren hat die Branche die Erstellung eines Standards durch die SEG intensiv unterstützt, der die Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette vom Glasaal bis zum Aalprodukt und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Aal vom Fang bis zum Endverbraucher sicherstellt. Dieser SEG Standard soll zu einem zertifizierten verantwortungsvollen Nachhaltigkeitsstandard weiterentwickelt werden. „Eel Stewardship bedeutet so viel mehr als „Management“.
Der SEG-Standard garantiert, dass wir mit Bedacht auf die natürlichen Ressourcen achten, damit unsere Kinder sie weiterhin genießen können.“ unterstreicht Koelewijn.

Iillegaler Handel mit dem Europäischen Aal und organisierte Kriminalität

Herr Florian Stein von der SEG sprach über „Aal, ein globales Produkt mit vielen Gesichtern. Der illegale Handel an der Schwelle zwischen „business as usual“ und organisierter Kriminalität.“. Ende der 80iger Jahre wanderte ein Teil der Aal-Aquakultur von Taiwan und Japan nach China. Innerhalb weniger Jahre vervielfachte sich die chinesische Aalproduktion und stellt heute über 80 % der globalen Aal-Aquakulturproduktion mit einem enormen Bedarf an Glasaal. Der Export von Aalendprodukten geht von China nach Japan und in alle Welt. Ein typisches Endprodukt ist Unagi Kabayaki. Seit 2010 besteht jedoch ein Handelsverbot von Europäischem Aal über die EU-Außengrenze. Herr Stein stellte Beispiele des Glasaalschmuggels über Spanien, Frankreich und Deutschland dar. Hervorzuheben ist ein gewisser Mister Khoo welcher zwischen 2015 und 2017 5,3 Mio Glasaale mit einem Gegenwert von 53 Mio Pfund Sterling verschoben hat. Die Zahl der verhafteten Aal-Schmuggler stieg in den letzten Jahren massiv an aber es gibt auch erste Indizien für eine Abnahme des illegalen Glasaal-Handels. Der globale Filethandel außerhalb der EU ist ebenfalls nur mit CITES Erlaubnis gestattet. Die globale Strafverfolgung wird immer effizienter. Laut Europol wurden in der Saison 2017/2018 etwa 100 t Glasaale illegal nach Asien exportiert.

Ein Bericht von Dr. Thomas Meinelt, IGB Berlin