der DAFV hat am 04.05.2021 seine Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Konsultation eingereicht:
Stellungnahme: Konsultation zur Beschränkung von Blei in Munition und in Angelgerät
Der Deutsche Angelfischerverband e.V. nimmt hiermit die Gelegenheit war, als Interessenvertretung seiner etwa 500.000 organisierten Angler, im Rahmen der Konsultation zur Beschränkung von Blei in Munition und in Angelgerät AZ: 721 65/03.00126-R 3d + e Stellung zu nehmen.
Gefahrenpotential
Vorweg möchten wir auf folgendes Hinweisen: Es ist aus unserer Sicht zumindest umstritten, in welcher Form sich ein verlorenes Blei beim Angeln im Gewässer möglicherweise negativ auf die Umwelt auswirkt. Im Unterschied zur Jagd tritt das Blei in der Regel nicht in den Organismus von Fischen ein und damit auch nicht in den Nahrungskreislauf. Darüber hinaus sind uns keine belastbaren Messwerte bekannt, dass verlorene Angelbleie die Bleikonzentration in angelfischereilich genutzten Gewässern erhöht haben.
Blei ist in den letzten zwei Jahrhunderten als Resultat anthropogener Aktivitäten in großen Mengen in die Umwelt emittiert worden. Insbesondere bleihaltige Antiklopfmittel, Bleileitungen und Reifenabrieb (Vulkanisationsbeschleuniger in der Kautschukindustrie) führten zu einer weltweiten Verbreitung und Anreicherung des Metalls in der Umwelt. Die in den Gewässern vorzufindenden Blei-Konzentrationen sind jedoch nur zu ca. 50 % auf anthropogene Einflüsse zurückzuführen (Rossman, 1988), da je nach Einzugsgebiet die natürliche Verwitterung von Gesteinen zu den Bleigehalten in den Gewässersedimenten beitragen. Die Bioverfügbarkeit von Blei in den Gewässern hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, von denen Wasserhärte, pH-Wert und Zusammensetzung der Schwebstoffe einige entscheidende Faktoren darstellen. Blei-Ionen werden in den Gewässern von einer Vielzahl von Anionen gebunden (Karbonate, Hydroxide, Sulfide, Sulfate). Meist liegt Blei in den Gewässern in ungelöster Form vor (Gunkel, 1989). Auf Grund der geringen Löslichkeit der Bleisalze sind deshalb auch akute Intoxikationen unwahrscheinlich, zumal die Bindungsaffinität von Blei an Feststoffe bzw. an Schlammteilchen wesentlich höher ist als die anderer Schwermetalle (Balikungeri and Haerdi, 1988; Nielsen and Hrudely, 1981). Durch Sedimentierung wird somit ein großer Teil des Bleis aus dem freien Wasser entfernt und ins Sediment verlagert. Blei liegt im Sediment hauptsächlich als Bleisulfid (PbS) vor. Eine Remobilisierung des Bleis kann nur durch eine starke Säure erfolgen. Blei-Verbindungen sind in Wasser schwer löslich, ebenso in kalter verdünnter Salzsäure und Schwefelsäure. Blei(II)-sulfid ist in Salpetersäure löslich.
Fehlende Biomagnifikation
Von Blei ist ebenfalls bekannt, dass es sich nicht wie andere Schwermetalle in Nahrungsketten anreichert (fehlende Biomagnifikation; Norton et al., 1990). Unter normalen Bedingungen (neutraler pH-Wert, mittlerer Härtegrad) werden nur äußerst geringe Mengen Blei in Gewässern in Lösung gehen. Unter solchen Bedingungen spielen die an Partikel und an das Sediment gebundenen Bleimengen die wichtigere Rolle als die von Gewichten. Der weitaus größte Anteil des Bleis gelangt über die Atmosphäre in unsere Gewässer. Es ist unbestritten, dass Blei auch über die (Angel)Fischerei in die Gewässer eingetragen wird. Bleihaltige Angelgewichte und Spinnköder und Netzbeschwerungen werden nach ihrer Benutzung im Allgemeinen wieder aus dem Gewässer entnommen. Da Angelgeräte und Zubehör auch ein Stück Identität des Anglers darstellen, sind die Angler bestrebt, ihr Material wieder mit nach Hause zu nehmen. Verluste an Blei-Gewichten verursachen dem Angler/Fischer Kosten. Bei ungewollten Verlusten können jedoch Bleiformkörper im Gewässer verbleiben. Gelangen die Bleiformkörper in das Sediment, überzieht sich die Oberfläche mit PbS (Bleisulfid). Dieses PbS ist, wie bereits oben erwähnt, nur durch starke Säuren lösbar und deshalb chemisch inaktiviert. Aus fischtoxikologischer Sicht sind deshalb im Gewässer verbliebene Angel-/Netzgewichte unbedeutend. Da Angelgewichte im Vergleich zu Schrotkugeln zumeist sehr groß sind, besteht auch kaum die Gefahr, dass die Blei-Gewichte als „Magensteine“ von Wasservögeln aufgenommen werden. Auch bei den Wasservögeln ist deshalb nicht mit einer Blei-Intoxikation oder Anreicherung von Blei im Gewebe, ausgelöst durch Angelgewichte, zu rechnen. Daher schätzt der DAFV den Einfluss der Verwendung von Angelgewichten oder Ködern aus Blei auf die Schwermetallbelastung der Gewässer als gering ein.
Im Hinblick auf die Reinhaltung unserer Gewässer stehen wir einer wissenschaftlich basierten Lösung mit Augenmaß und ausreichenden Übergangsfristen grundsätzlich offen gegenüber.
Mögliche Alternativen zum Blei
Seit einiger Zeit registrieren wir in zunehmenden Maßen, dass Angelgerätehersteller und der Handel Alternativen zu Blei entwickeln und anbieten. Beim Angeln kommt es darauf an den Köder in einer gewissen Tiefe anzubieten. Durch die hohe Dichte von Blei (11,34 kg/m³), können diese Körper relativ klein ausfallen, was diesen Stoff sehr interessant für die Angelfischerei macht. Das einzige Element welches eine höhere Dichte als Blei hat und dabei umweltverträglicher ist, ist Wolfram (19,26 kg/m³). Diese auch unter dem Namen Tungsten bekannte Alternative ist jedoch merklich teurer und wird daher eher bei kleinen Gewichten eingesetzt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass z.B. beim Fliegenfischen für die Beschwerung von Fliegen heutzutage fast ausschließlich Wolfram Verwendung findet.
Daneben besteht auch die Möglichkeit, verschiedene Stoffe miteinander zu mischen und somit die positiven Eigenschaften einzelner Stoffe zu kombinieren. Mischungen können den Einsatz teurer Rohstoffe verringern und/oder physikalische Nachteile ausgleichen. Als Beispiel gibt es im Fachhandeln mittlerweile „Elastic Tungsten“, Klemmbleie aus Zinn oder Beschwerungen aus Legierungen. Die Liste lässt sich mit zahlreichen Produkten aus Stein, Eisen, Messing, Zamak oder Glas beliebig fortführen. Entwicklungszeit und Einführungs- bzw. Überzeugungsprozesse nehmen Zeit und Kosten in Anspruch. Diese bewusste und nachhaltige Veränderung gilt es zu fördern und beim Restriktionsansinnen für die Bleiverwendung zu berücksichtigen, da das Thema Portfolioumstellung komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint.
Umweltfreundliche und möglichst kostenneutrale Alternativen
Wir sehen in der Forderung der ECHA, die Nutzung von Blei u.a. bei der Ausübung der Angelfischerei zu verbieten, insbesondere die Industrie in der Pflicht, umweltfreundliche und möglichst kostenneutrale Alternativen, nach Ablauf einer festgelegten Übergangsfrist, dem Handel zur Verfügung zu stellen. Dadurch würde dem Angler eine adäquate Alternative angeboten und die Basis für eine größtmögliche Akzeptanz geschaffen werden.
Für echte Alternativen müssen neben der gesundheitlichen und ökologischen Dimension auch die Nutzerfreundlichkeit und die wirtschaftlichen Effekte im Blick behalten werden, damit der Markt den Wandel auch mitgehen kann.
Hier möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass unter leidender Nutzerfreundlichkeit und steigenden Verkaufspreisen, ein Schwarzmarkt für Blei mit allen, auch aus der Vergangenheit bekannten Risiken, droht. Zu überschnelle Scheinlösungen sind hier nach unserer Ansicht nicht zielführend.
Allgemeine Anmerkungen
Etwa 6,54 Mio. deutsche Anglerinnen und Angler gehen zumindest einmal im Jahr ihrer Leidenschaft am oder auf dem Wasser nach. Angeln ist eine Freizeitbeschäftigung für Jedermann und das sollte auch so bleiben. Entsprechend bitten wir nachstehende Forderungen zu beachten:
- Übergangsphasen ermöglichen
- Alternativprodukte fördern
- Wissenschaftliche Erkenntnisse optimieren
- Gewässerverschmutzungen aus anderen Quellen wirkungsvoll entgegentreten
Neben den aus unserer Sicht vergleichsweise harmlosen Problematik mit dem geringen Eintrag von Blei durch Angler in unsere Gewässer, möchten wir die ECHA motivieren in Zukunft auch extrem gefährliche Verschmutzungen der Gewässer wirkungsvoll entgegenzutreten. Diese sind bekannt, werden jedoch aus Sicht des DAFV ungenügend angegangen. Chlorierte organische Verbindungen, endokrine Disruptoren, diverse Arzneimittelrückstände u.v.m. passieren die Klärwerke (ohne Ozonisierung) fast unverändert und schädigen unsere Gewässer und Wasserlebewesen nachhaltig (z. B. Geschlechtsveränderungen, Tumore, Anreicherung im Gewebe).