Ein Kommentar von Dr. Christel Happach-Kasan.
Vor mehr als dreißig Jahren wurde damit begonnen, Lachse in unseren Flüssen wieder anzusiedeln. Die sehr hohen Erwartungen erfüllten sich nicht, aber in Rhein, Elbe und Weser konnte eine natürliche Vermehrung nachgewiesen werden. Zahlreiche Mitgliedsverbände des DAFV widmen sich der Rückkehr der Lachse in unsere Fließgewässer. Sie sind an nahezu allen größeren Gewässern aktiv, in denen ehemals der Lachs heimisch war. Deswegen bedeutet es auch eine Anerkennung, wenn überregionale Zeitungen sich des Themas annehmen. Leider ist das Resultat nicht überzeugend.
In der letzten Juliausgabe der ZEIT berichtete ein Autorenteam im Dossier unter der Überschrift „Der gefährlichste Fisch der Welt“ u. a. über die Wiedereinbürgerung des Lachses. In der FAZ vom 31. 7. wurde unter der Überschrift „Kaum einer kehrt zurück“ die bisher noch nicht erreichten durchschlagenden Erfolge bei der Wiedereinbürgerung des Lachses insbesondere auf den deutlich überhöhten Kormoranbestand zurückgeführt.
Beide Artikel überzeugen nicht, der konkrete Informationsgehalt ist gering. Die Rückkehr der Lachse wurde als Sommerlochthema missbraucht. Der Verzehr des Zuchtlachses ist anders als die ZEIT suggeriert nicht gefährlich, der überhöhte Kormoranbestand an unseren Gewässern nur ein Einflussfaktor unter mehreren. Das Engagement derer, die mit ihrem Einsatz von Zeit, Geld und Expertise das Thema „Rückkehr der Lachse“ überhaupt zu einem Thema gemacht haben, wird nicht gewürdigt. Schade, obwohl doch ehrenamtliches Engagement angeblich hoch im Kurs steht.
Vom Fluss ins Meer und wieder zurück
Lachse sind faszinierende Fische. Sie leben im Atlantik, in Nord- und Ostsee und kehren zur Paarungszeit in die Bachläufe zurück, in denen sie aus dem Ei geschlüpft sind (anadrome Fische). Zur Paarungszeit sind die Männchen prachtvoll gefärbt, die Weibchen fächeln im groben Kiesbett eine Laichgrube laichen ab und die Männchen befruchten die Eier. Aus dem Ei geschlüpft wachsen die jungen Brütlinge im Bach zum etwa 12 cm langen Smolt heran, schwimmen flussabwärts ins Meer, wachsen dort in etwa drei Jahren zu einer Größe von 120 cm heran und kehren dann in den Bach zurück, in dem sie aus dem Ei geschlüpft sind. Ohne die zweifache Wanderung der Fische, als Smolt ins Meer wie auch als ausgewachsener Lachs zurück in den Bach, in dem er aus dem Ei geschlüpft ist, gibt es keinen sich selbst reproduzierenden Bestand in unseren Gewässern. Und bei diesen Wanderungen drohen ihnen vielfältige Gefahren.
Es gibt in Deutschland zahlreiche Initiativen für die Wiedereinbürgerung des Lachses. Der Landesfischereiverband Baden-Württemberg hat die gemeinnützige Wanderfische Baden-Württemberg GmbH gegründet, die das Wanderfischprogramm Baden-Württemberg unterstützt und das Ziel verfolgt, allen Wanderfischen im baden-württembergischen Rheingebiet Lebensraum zu schaffen. Der Landessportfischerverband Schleswig-Holstein (LSFV SH) kümmert sich um die Reproduktion von Lachs und Meerforelle. Er hat damit bei der Google Impact Challenge gewonnen. Mehr als 1,5 Millionen Lachseier und mehr als 18 Millionen Meerforelleneier wurden seit 1982 für die Nachzucht aufgelegt. Der Lachsverein gibt seit 2005 eine sehr informative CD zum Thema „Rückkehr der Lachse“ heraus, inzwischen in der 10. Auflage (15. April 2018) mit über 100 Seiten, verteilt in über 10 000 Exemplaren. Leider wurden die Informationen sowohl von der ZEIT wie auch von der FAZ missachtet.
Aber auch international ist die Wiederansiedlung des Atlantischen Lachses ein Thema. 1989 wurde der North Atlantik Salmon Fund (NASF) gegründet. Der DAFV wie auch einige seiner Mitgliedsverbände sind dort Mitglied. Dieser verfolgt das Ziel, die Fischerei auf Lachs zu mindern. Gemeinsames Ziel aller Anstrengungen ist es, sich selbst reproduzierende Bestände zu begründen. Das erfordert zurzeit, dass die laichbereiten Lachse eine Chance haben, wieder in ihre Ursprungsbäche zurückzukehren und nicht vorher im Kochtopf landen.
Rückgang des Lachsbestandes im Rhein, kurzer geschichtlicher Rückblick
Der Rhein war für die Fischerei im 19. Jahrhundert der bedeutendste Lachsfluss in Europa.
1885 wurde zwischen den Rheinanrainerstaaten der Staatsvertrag über die Lachsfischerei im Rhein geschlossen,
1887 wurden junge Lachse in der Ruhr ausgesetzt, um die Fischerei zu stützen,
1893 wurde in der Nagold, Nebenfluss der Enz, Neckar eines der ersten Wasserkraftwerke gebaut,
1917 wurden Winterschonzeiten eingeführt.
Seit Beginn der Industrialisierung Verschlechterung der Wasserqualität.
Voraussetzungen für die erfolgreiche Wiederansiedlung der Lachse
Qualität des Wassers: Seit Mitte der siebziger Jahre erste Kläranlagen. Dadurch Verbesserung der Wasserqualität im Rhein. 1978 verabschiedete die sozialliberale Bundesregierung das Abwasserabgabengesetz, das sich als sehr wirksames Instrument zur Reinhaltung der Gewässer erwies. Inzwischen sind neue Bedrohungen für die Gewässerqualität entstanden, z. B. durch Auslauf von Biogasanlagen. Dagegen muss Vorsorge getroffen werden. Allerdings sind zumeist nur kleinere Flussabschnitte betroffen.
Genetik. Da im Rhein keine geeigneten Elterntiere überlebt hatten, mussten Elterntiere aus anderen Stromgebieten zur Zucht verwendet werden. Zwei Beispiele: Der Landesfischereiverband Baden-Württemberg betreibt eine Zuchtanlage im Wolftal und züchtet dort mit Elterntieren aus der Allier (Flussgebiet der Loire). www.lfvbw.de Der Lachsverein züchtet in der Hasper Talsperre mit Elterntieren aus dem schwedischen Fluss Ätran. Inzwischen werden in beiden Zuchtanlagen (wie auch in anderen Zuchtanlagen in D) überwiegend aufgestiegene Lachse als Elterntiere verwendet.
Durchgängigkeit der Gewässer: Laut Umweltbundesamt (UBA) sind nur 20% der Oberläufe der Flüsse für Lachse erreichbar. Aufsteigende Lachse können bis zu 3 m hoch und 5 m weit springen und dadurch kleinere Wehre überwinden. In Wasserkraftwerken drehen sich Turbinen. Rechen verhindern, dass größere Fische in die Turbinen gelangen. Gibt es kein umgehendes Gewässer, z. B. mit einer Fischtreppe, ist die Wanderung aufsteigender Lachse hier beendet. Das Durchschwimmen der Turbinen überlebt nur ein Teil der Fische, viele werden verletzt. Die bei Wikipedia veröffentlichte Liste der Wasserkraftwerke in Deutschland führt 65 Wasserkraftanlagen im Flussgebiet des Rhein auf https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Wasserkraftwerken_in_Deutschland. In Deutschland gibt es insgesamt geschätzte 7600 Wasserkraftanlagen. An einigen Flüssen gibt es zwar ein „Aaltaxi“, um Blankaalen den Abstieg zu ermöglichen, aber kein Lachstaxi.
Fischtreppen: Während an großen Wasserkraftanlagen Fischtreppen die Fischverluste mindern können, machen Fischtreppen den Betrieb kleinerer Anlagen meist unwirtschaftlich und werden daher nicht gebaut. Doch auch Fischtreppen können nur eine Teildurchgängigkeit für Fische bewirken.
EEG: Das EEG fördert die Gewinnung von Strom durch Wasserkraftanlagen. Das EEG setzt somit einen Anreiz, Wasserkraftanlagen für die Stromgewinnung zu bauen. Der DAFV hat daher eine Beschwerde an die EU gerichtet, um dagegen anzugehen, dass in D durch das EEG die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie verhindert wird. Der DAFV dringt auf die Abschaffung der Förderung nicht fischgerechter Wasserkraftwerke
Laichbetten: Lachse brauchen zum Ablaichen grobkörnige Kiesbetten. Uferbefestigungen machen ein Gewässer untauglich für das Laichen von Lachsen.
Kormoran: Wehre und Kraftwerke können große Ansammlungen von Fischen bewirken, die ein Anreiz für Kormorane sind, dort Fische zu jagen. Besonders Smolts werden von Kormoranen gejagt. Ein bundesweites Kormoranmanagement ist erforderlich.
Berufsfischerei: Das Fischen rückkehrbereiter Lachse an der Nordseeküste verringert die Zahl zurückkehrender Lachse. Geangelte Lachse müssen als geschützte Fische zurückgesetzt werden.
Überhitzung der Gewässer: Der Anstieg der Wassertemperaturen verursacht durch das langanhaltende sonnige Wetter, wie auch punktuell durch Einleitung von Kühlwasser, gefährdet den Fischbestand.
Erfolge
- Seit 1992 Rückkehr adulter Lachse im Rheinsystem nachgewiesen.
- Natürliche Vermehrung der Lachse im Elbe-, Rhein- und Wesersystem nachgewiesen.
- Die 1950 gegründete internationale Kommission zum Schutz des Rheins initiiert 1987 – nach der Sandoz-Katastrophe 1986, ein Programm zur Wiederansiedlung des Lachses.
- Verbesserung der Wasserqualität durch intensiven Bau von Kläranlagen.
- 2000 verabschiedet die EU die Wasserrahmenrichtlinie. Es werden Flussgebietseinheiten gebildet. Ziel ist die Wiederherstellung naturnaher Gewässer. 2015 wurde dies Ziel laut UBA nur bei etwa 20% der Gewässer erreicht. Die zweite Periode läuft bis 2030.
Forderungen
- Aufkauf der Wasserrechte und Stilllegung von kleinen Wasserkraftanlagen, sofern sie die Fischfauna schädigen.
- Novellierung des EEG und Beschränkung der Förderung von Strom aus Wasserkraftanlagen auf solche, die die Durchgängigkeit für wasserlebende Tiere gewährleisten.
- Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.
- Bundesweites Kormoranmanagement.
- Regulierung der Berufsfischerei an den Flussmündungen mit dem Ziel, den Lachsen die Rückkehr in ihre Laichgewässer zu ermöglichen.
Fazit
Unsere Fließgewässer wurden in den letzten 200 Jahren zu Schifffahrtskanälen umgebaut, durch Wehre und Wasserkraftanlagen in einzelne Gewässerabschnitte unterteilt. Viele Mäander wurden abgeschnitten, die Gewässer begradigt, die Fließgeschwindigkeit erhöhte sich. Die Dynamik der Gewässer hat sich verändert und damit auch der Sedimenttransport. Während die Reinhaltung des Wassers vorangebracht werden konnte, ist die Struktur der Gewässer noch sehr weit von einer natürlichen Struktur mit Durchgängigkeit für alle Wasserorganismen, mit naturnaher Ufergestaltung entfernt. Es ist überhaupt nicht zu erwarten, dass unter diesen Gegebenheiten die Wiederansiedlung ausgestorbener Fischarten im Schnelldurchgang gelingen kann. Es ist viel erreicht worden. Dies muss bewahrt und auf dem bis jetzt Erreichten aufgebaut werden.
Weitere Informationen:
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/die-wasserrahmenrichtlinie-deutschlands-gewaesser