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Ulrich Eichelmann, ist Gründer und Geschäftsführer der Naturschutzorganisation „Riverwatch“. Die Organisation beschäftigt mit dem Schutz der Flüsse und v.a. mit dem Kampf gegen den Bau neuer Wasserkraftwerke. Über Aktivitäten der Organisation haben wir u.a. schon mehrfach in der AFZ Fischwaid berichtet, da unser gemeinsames Anliegen, die Durchgängigkeit der Gewässer, uns in unseren Aktivitäten verbindet und wir für die gleichen Ziele kämpfen.

 

DAFV: Herr Eichelmann, ich freue mich, dass Sie uns für ein Interview zur Verfügung stehen. Damit unsere Leserinnen und Leser wissen, wer Sie sind, würde ich Sie zu Beginn um eine Kurz Vorstellung bitten.

Eichelmann: Mein Name ist Ulrich Eichelmann, Gründer und Geschäftsführer der Naturschutzorganisation Riverwatch. Ursprünglich komme ich aus dem Ostwestfalen, lebe aber mittlerweile seit über 30 Jahren in Wien. Naturschützer bin ich seit meiner Jugend. Vor der Gründung von Riverwatch war ich 17 Jahre lang beim WWF in Österreich angestellt und habe mich da fast ausschließlich um den Schutz von Flüssen gekümmert. Danach habe ich ca. sechs Jahre in der Türkei gegen den Ilissu-Staudamm gekämpft. Seit 2011 kümmere ich um die Flüsse am Balkan, also den Raum zwischen Slowenien und Albanien.

 

DAFV: Warum ausgerechnet der Balkan?

Eichelmann: Dort sind noch die meisten natürlichen und artenreichen Flüsse Europas. Rund 30 % der dortigen Gewässer sind noch in einem natürlichen Zustand. So etwas findet man in Deutschland und vielen anderen Ländern nicht mehr. Der Bau von Wasserkraftanlegen dort ist somit eine sehr große Bedrohung für die Natur. Wenn man sich z. B. auf unserer Internetseite die Karte der Wasserkraftanlagen und vor allem der geplanten Wasserkraftanlagen an den dortigen Flüssen anschaut, sehen wir eine große reale Gefahr für die letzten natürlichen Gewässer Europas.

 

DAFV: Wie ist es denn möglich, trotz EU-Wasserrahmenrichtline (WRRL), die ja ein Verschlechterungsverbot für die Gewässer enthält, weiterhin Wasserkraftanlagen, vor allem in dieser Anzahl, wir reden von rund 3.400 Anlagen, bauen zu wollen?

Eichelmann: Die WRRL verhindert per se nicht den Bau von neuen Anlagen. Wenn man z. B. das Problem der Durchgängigkeit betrachtet, wird hier mit Fischauf- und -abstiegsanlagen argumentiert, die den Fischen weiterhin das Wandern ermöglichen. Somit stellt sich im Planungsverfahren auf dem Papier erstmal kein Problem dar. Und wenn das nicht ausreicht, kommt in der Regel das übergeordnete öffentliche Interesse ins Spiel, das mit der klimaneutralen Energiegewinnen argumentiert wird.

Ferner werden auch falsche Anreize durch die Politik gesetzt, die neue Bauvorhaben eher begünstigen. In Deutschland wurden beispielsweise die Subventionen für Strom aus Wasserkraft gerade erst erhöht, so dass es lukrativer ist, eine marode Staustufe zu sanieren als abzureißen. Bei einer Sanierung wird dann meist zur Effizienzsteigerung auch noch die Staumauer erhöht. Somit werden die Flüsse bei uns, die eh schon in keinem guten Zustand sind, noch weiter verschlechtert.

 

DAFV: Ihr Engagement gilt in erster Linie der Verhinderung, neue Wasserkraftanlagen an den Flüssen des Balkans zu bauen. Wie geht man damit um, dass vor der eigenen Tür die Gewässer fast komplett verbaut sind, man aber anderen Ländern erklären will, dass man das genau nicht machen soll?

Eichelmann: Am Balkan gibt es im Vergleich zum Rest Europas bisher sehr wenig Wasserkraftwerke. Der gesamte Balkanraum hat momentan rund 1.400 Wasserkraftwerke, die in Betrieb sind. Deutschland allein hat schon 7.700 registrierte Wasserkraftanlagen und da sind noch nicht alle Kleinstanlagen miterfasst, die z. B. für den eigenen Haushalt produzieren. Österreich hat 5.200 Wasserkraftanlagen. Die Ausbaudichte in Deutschland und Österreich ist somit wesentlich größer als am Balkan.

In den Alpen haben wir im Schnitt alle 900 Flussmeter ein Querbauwerk. Und genau darum engagieren wir uns am Balkan so stark, dass dort nicht dasselbe passiert wie bei uns. Die Qualität und Vielfalt, die wir in den Gewässern am Balkan vorfinden, haben wir in Westeuropa daher schon vor langer Zeit verloren, z. T. schon vor hunderten Jahren als die kleineren Bäche durch Mühlen unterbrochen wurden und unsere größeren Flüsse kanalisiert wurden. Wir versuchen die Balkanländer vor Fehlern zu bewahren, die in Westeuropa begangen wurden und deren Behebung sehr langwierig bis vielleicht sogar unmöglich ist.

 

DAFV: Können Sie sagen, wie viele Projekte Sie bereits verhindert haben und wie man bei der Verhinderung neuer Bauvorhaben im Bereich der Wasserkraft vorgeht?

Eichelmann: Schwer, das genau zu beziffern, v .a. weil selbst wenn Kraftwerksprojekte gestoppt werden, die immer wieder aus der Schublade geholt werden können. Aber zusammen mit unserer Partnerorganisation EuroNatur aus Deutschland sowie anderen Organisationen in den Balkanländern dürften wir so rund 50 Kraftwerke in den letzten Jahren verhindert haben. Den Erfolg verdanken wir dem Widerstand vor Ort, dem Sichtbarmachen durch Medienarbeit und vor allem unseren sieben JuristenInnen, die für uns arbeiten und die Projekte beklagen. Das geht dort relativ einfach, da die Projektunterlagen oft noch nicht einmal den Landesgesetzen entsprechen. Dabei müssen wir oft gar nicht gleich vor Gericht ziehen. Die JuristInnen schalten sich frühzeitig im Genehmigungsverfahren ein, was teilweise dazu führt, dass im juristischen Austausch mit den zuständigen Behörden die Baugenehmigung versagt wird.

Sollten die Behörden die Genehmigung trotzdem erteilen, dann gehen wir den Klageweg. Naturschutzorganisationen und Betroffene sind klageberechtigt, also z. B. kann eine NGO (engl. Non-governmental organization – Nichtregierungsorganisation) in Serbien gegen den Bau einer Wasserkraftanlage klagen. Parallel hilft es, international rechtliche Schritte einzuleiten. Da die Mehrzahl der Balkanländer nicht in der EU sind, geht das nicht in Brüssel bei der Europäischen Kommission. Aber diese Länder sind Mitglieder der Energy Community, die in Wien sitzt. Und hier kann man auch Beschwerde einreichen gegen den Bau von Kraftwerken, wenn etwa die UVP nicht richtig gemacht wurde. Parallel hilft es oft, wenn man einen Fall wegen Verletzung der Berner Konvention (amtl.: Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume) eröffnet.

 

DAFV: Nun sind wir aber auf Strom angewiesen. Fossile Rohstoffe sind begrenzt und ein Problem bezüglich des Klimawandels. Wie sollten wir zu nachhaltiger Energie kommen, wenn Wasserkraft schlecht für die Gewässer ist, Windenergie für die Vögel und Solarenergie u.a. die Fauna auf großen Wiesenflächen nachhaltig beeinträchtigt?

Eichelmann: Die Frage, ob Wasserkraft für einen nachhaltigen Energiemix benötigt wird, ist beantwortet und lautet „Ja“, denn es gibt bereits zigtausende Anlagen allein in Europa. Aber wir bei Riverwatch sind dagegen, dass noch irgendwo ein neues Wasserkraftwerk gebaut wird. Der Ausbaugrad unserer Flüsse ist bereits zu hoch, die Dosis macht das Gift. Was in geringen Mengen gesund sein kann, ist bei Zuviel tödlich. Und bei der Wasserkraft ist die Dosis bereits zu hoch. Deshalb muss man in den meisten Ländern Europas über den Abriss von Anlagen reden und nicht über den Neubau.

Der Klimawandel kommt nicht, sondern findet statt. Damit verbunden ist auch das Artensterben, was immer stärker voranschreitet. Wir müssen uns darum kümmern die Lebensräume für diesen Wandel fit zu machen. Dafür brauchen wir frei fließende Gewässer, die den Tier- und Pflanzenarten eine Heimat bieten und nicht noch ein Wasserkraftwerk mehr, das durch neue oder höhere Anstauungen Arten vernichtet und so die Lebensgemeinschaft im Naturraum schwächt. Ca. 7.300 Wasserkraftanlagen in Deutschland zählen zu den Kleinwasserkraftanlagen. Diese haben einen Anteil von rund 0,06 % am deutschen Energiemix. Eine Studie vom WWF hat kürzlich gezeigt, dass man in Deutschland und 3.000 Wasserkraftanlagen problemlos abreißen könnte, ohne eine Auswirkung auf den Energiemix zu erfahren.

 

DAFV: Bezeichnen Sie sich eher als Aktivist oder als Kämpfer auf bürokratischem Wege?

Eichelmann: Die Arbeit ist also so vielfältig, dass es aus meiner Sicht „Aktivist“ nicht trifft. Ich bin Naturschützer und arbeite auf vielen Ebenen. Wie man vorgeht, ist unterschiedlich. Es vergeht keine Woche, ohne Gespräche mit Juristen. Ebenso bin ich aber draußen im Feld unterwegs. Wir haben einen Künstler angestellt der Kunstprojekte organisiert und so auf diese Weise auf die Schönheit und Vielfalt der Gewässer aufmerksam macht. Ende Mai fahren wir mit 25 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nach Albanien und fangen dort, was es zu fangen gibt, um einen Überblick zu bekommen, was für Tier- und Pflanzenarten es dort noch gibt. Mit diesen Ergebnissen aus dem Feld geht es dann wieder an den Schreibtisch, von wo aus das Material für die bürokratische Arbeit und die Argumentation vor Gericht aufgearbeitet wird.

Ebenso ist es wichtig die mediale Aufmerksamkeit zu erreichen. Auf unserer nächsten Reise begleitet uns u.a. die ARD und das National Geographic Magazine. Auf diese Weise können sich die Berichterstatter aus unserer Arbeit ihre Storys heraussuchen und aufbauen und es wird sichergestellt, dass die Arbeit, die wir leisten, publik wird und nicht am Ende nur in einem Gutachten landet, das dann im Schreibtisch einer Behörde verschwindet. Wir haben beispielsweise schonmal so eine Wissenschaftstour an der Vjosa gemacht, auf der wir am Ende 40 Arten gefunden haben, die bisher in Albanien noch nie nachgewiesen wurden und sogar zwei Arten, die internationale Neuentdeckungen waren (eine Steinfliegenart und eine Spinne). Es sind gerade die kleinen Tiere, die für die Gewässer wichtig sind. Kleine Schnecken und Muschen beispielsweise, die bis zu einem Meter tief im Schlamm der Gewässer leben, filtern das Wasser, was wiederum für viele andere Lebewesen notwendig ist.

 

DAFV: Auf euer Internetseite www.riverwatch.eu gibt es neben mehreren Kurzfilmen, die Kampagnen begleiten, auch einen längeren Film von Ihnen der „Climate Crimes“ heißt. Gehörte Filmemacher auch in Ihren Tätigkeitsbereich?

Eichelmann: Nein, als ich damals beim WWF gearbeitet habe, habe ich bemerkt, dass der vermeintliche Klima- und Umweltschutz von Industrie und Politik teilweise dafür genutzt wird, nochmal so richtig in die Natur einzugreifen. Ich wollte dazu erst ein Buch schreiben, habe mich dann aber doch für einen Film entschieden, in dem ich u.a. der Wasserkraft, dem Biodiesel und dem Biogas nachgegangen bin. Nochmal würde ich das aber nicht machen. Die Filmtechnik hat mittlerweile eine Professionalisierung durchschritten, dass man das selbst kaum noch bewältigen kann. Da ist es angenehmer, wenn man gute Partner im Boot hat wie z. B. bei dem Film „Blue Heart“, den wir mit Patagonia produziert haben.

 

DAFV: Wie kann man Euren Kampf unterstützen bzw. was sind Deine Wünsche, damit der Kampf gegen den Neubau weiterer Wasserkraftanlagen und die Zerstörung der Gewässer erfolgreich voranschreitet?

Eichelmann: Steter Tropfen höhlt den Stein. Wie schon erwähnt, ist es wichtig, Aufmerksamkeit für die Projekte zu generieren und medial stark aufzutreten. Das funktioniert nur, über die Zeit und durch das Einbinden der Bevölkerung. Wir geben uns hier teilweise zu pragmatisch und denken uns, da gibt es doch die ganzen Gesetze und die Wasserrahmenrichtlinie und wenn da was gebaut wird, dann ist das sicherlich ok so.

Am Balkan ist das so, dass vor drei Wochen 20.000 Leute in Belgrad auf die Straße gegangen sind und gegen den Neubau von Wasserkraftanlagen demonstriert haben. Oder im Film Blue Heart, da zeigen wir, wie Frauen in Bosnien 500 Tage und Nächte auf einer Brücke protestiert haben, um den Bau eines Kraftwerks zu blockieren. Dies sind selbst organisierte Aktionen, die nicht von irgendwelchen NGOs organisiert sind, da die Leute selber erkannt haben, was sie da für einen Naturschatz sie vor ihrer Haustür haben. Diesen Blick und diese Verbundenheit der Bevölkerung auf die Natur vor der eignen Haustür ist das, was uns fehlt und wo wir wieder hinkommen müssen.

 

DAFV: Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und danken recht herzlich für das Gespräch!

 

wissenschaftstour23Pressetermin im Rahmen der letzten Wissenschaftstour an der Vjosa um zu zeigen, wie wichtig Intakte Gewässer für Flora und Fauna sind. Foto: Jens Steingässler

Deutscher Angelfischerverband e.V. (DAFV)

DeutschlandkarteDer Deutsche Angelfischerverband e.V. besteht aus 25 Landes- und Spezialverbänden mit ca. 9.000 Vereinen, in denen mehr als 500.000 Mitglieder organisiert sind. Der DAFV ist der Dachverband der Angelfischer in Deutschland. Er ist gemeinnützig und anerkannter Naturschutz- und Umweltverband. Der Sitz des Verbandes ist Berlin. Er ist im Vereinsregister unter der Nummer 32480 B beim Amtsgericht Berlin Charlottenburg eingetragen und arbeitet auf Grundlage seiner Satzung.

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