Im Zuge der Beratungen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft haben die federführenden Bearbeiter der deutschen Aalmanagementpläne ein Positionspapier erarbeitet. Darin beschreiben sie den aktuellen Stand der Aalbewirtschaftung in Deutschland und die Auswirkungen potenzieller Managementmaßnahmen: Einstellung des Aalbesatzes, die Ausweitung der Schonzeit auf sechs Monate und die Einführung eines kompletten Aalfangverbots. Im folgenden finden sie das Positionspapier in originaler Fassung:
Positionspapier der federführenden Bearbeiter für die Managementpläne in den deutschen Aaleinzugsgebieten und Mitglieder der deutschen Aalarbeitsgruppe
Fladung, J. Baer, K. Camara, T. Czypionka, M. Diekmann, M. Dorow, J. Frankowski
Derzeitige Aalbewirtschaftung in Deutschland und Auswirkungen der Einstellung des Aalbesatzes, einer 6monatigen Schonzeit und eines kompletten Aalfangverbotes auf die Aalbestände und die Blankaalabwanderung aus deutschen Binnengewässern
Entwicklung des Europäischen Aalbestandes
Seit mehr als drei Jahrzehnten sind die Fänge sowohl von Glasaalen als auch von Aalen vermarktungsfähiger Größe in ganz Europa stark zurückgegangen (MORIARTY & DEKKER 1997, DEKKER 2004, ICES 2022). Das derzeitige Glasaalaufkommen beträgt aktuell an der europäischen Atlantikküste knapp 10 % des Durchschnittswertes im Zeitraum 1960-1979 (ICES 2022). Der Rückgang der Speiseaalfänge in Europa um fast 90 % im Vergleich zu den 1950er Jahren (ICES 2022), der auch von einer verringerten Befischungsintensität begleitet wird, ist Ausdruck einer stark gesunkenen Bestandsgröße. Bereits im Jahr 1999 kam der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) zu der Einschätzung, dass sich der Bestand des Europäischen Aals außerhalb sicherer biologischer Grenzen befindet und eine Bestandserholung unwahrscheinlich ist, wenn die maßgeblichen Einflussfaktoren unverändert bestehen bleiben. Einige Jahre später wurde dann vom Europäischen Ministerrat eine „Verordnung des Rates mit Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestands des Europäischen Aals“ (die sogenannte EU-Aalverordnung) verabschiedet (EUROPÄISCHE UNION 2007), in der die Aufstellung von Bewirtschaftungsplänen für alle europäischen Aaleinzugsgebiete (EMUs) zur Sicherung einer Abwanderung von mindestens 40 % der Blankaalmenge im Referenzzeitraum vor 1980 (ohne anthropogene Beeinflussung) gefordert wird.
Umsetzung von Bewirtschaftungsmaßnahmen in den deutschen Aaleinzugsgebieten
In Übereinstimmung mit der EU-Aalverordnung wurden im Jahr 2008 Bewirtschaftungspläne für die deutschen Aaleinzugsgebiete (ANONYMUS 2008) bei der Europäischen Kommission eingereicht und mit der Umsetzung nach deren Genehmigung im April 2010 begonnen. Die in den deutschen Aaleinzugsgebieten vorgesehenen Bewirtschaftungsmaßnahmen umfassen v.a. fischereiwirtschaftliche Maßnahmen wie Aalbesatz sowie eine Reduzierung der Aalentnahme durch Erwerbs- und Freizeitfischerei z.B. durch eine Erhöhung des Mindestmaßes auf 45 cm (Küstengewässer) bzw. 50 cm (Binnengewässer), die Ausweisung von Schonzeiten und/oder Schongebieten und weitere Entnahmebeschränkungen. Hinzu kommen außerfischereiliche Maßnahmen wie die Verbesserung der Durchgängigkeit von Flüssen im Zusammenhang mit der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (RICHTLINIE 2000/60/EG) und eine Reduzierung der durch Wasserkraftturbinen bedingten Aalverluste durch die Verbringung von gefangenen Blankaalen in Flussunterläufe mit freien Abwanderungsmöglichkeiten oder ein angepasstes Turbinenmanagement (s. FLADUNG & BRÄMICK 2021). Während der überwiegende Teil der Maßnahmen planmäßig umgesetzt wurde bzw. noch wird, sind bei einigen Maßnahmen Defizite gegenüber den Planungen festzustellen. Dies betrifft v.a. den Umfang des getätigten Besatzes sowie die Anpassung von fischereirechtlichen Regelungen in einigen Bundesländern. Zur Kompensation wurden, insbesondere im Zusammenhang mit der „Joint Declaration“ (EUROPÄISCHE UNION 2018), weitere bzw. alternative Maßnahmen ergriffen (BRÄMICK & FLADUNG 2018). Langfristiges Ziel aller Managementmaßnahmen ist eine Erhöhung und nachfolgende Stabilisierung der Menge abwandernder Blankaale aus deutschen Binnengewässern und damit des potentiellen Laicherbestandes des Europäischen Aals.
Aktuelle und zukünftige Blankaalabwanderung
Die Ermittlung der aktuellen und zukünftigen Blankaalabwanderung erfolgt für alle neun deutschen Aaleinzugsgebiete mit Hilfe des deutschen Aalbestandsmodells „GEM IIIc“. Gemessen am Referenzwert für den Zeitraum vor 1980 beträgt die aktuelle Blankaalabwanderung aus den deutschen Aaleinzugsgebieten ca. 35 %. Damit wird die in der EU-Aalverordnung genannte Mindestzielgröße von 40 % in Deutschland aktuell unterschritten (Abb. 1). Dabei werden jedoch erhebliche Unterschiede im Vergleich der verschiedenen Aaleinzugsgebiete deutlich: In sieben von neun Aaleinzugsgebieten (Eider, Elbe, Ems, Maas, Oder, Rhein, Weser) bzw. auf insgesamt 56 % der betrachteten Gewässerflächen wird der Zielwert der Blankaalabwanderung unterschritten (s. FLADUNG & BRÄMICK 2021). Die Flusssysteme Schlei/Trave und Warnow/Peene erfüllen hingegen aktuell mit einer Abwanderungsquote von 48 bzw. 79 % die Mindestvorgabe, vor allem da sie größere Küstenbereiche umfassen, die von natürlich einwandernden Glasaalen besiedelt werden. Basierend auf einem fischereiunabhängigen Monitoring konnte die aktuelle Bestandsgröße des Gelbaals für den Küstenbereich Mecklenburg-Vorpommerns geschätzt werden (Dorow et al. 2023). Fischereiabhängige und fischereiunabhängige Datenreihen deuten unabhängig voneinander auf einen anwachsenden Gelbaalbestand im Küstenbereich Mecklenburg-Vorpommerns hin (Dorow et al. 2021a, 2023). Dieser vergleichsweise hohe Gelbaalbestand im Küstenbereich resultiert in einer entsprechenden Blankaalabwanderung, die mit den Bestandsmodellen abgebildet wird.
Abb. 1: Modellierungsergebnisse der bisherigen (bis 2019) und der zukünftigen (ab 2020) Entwicklung des Aalbestandes und der Blankaalabwanderung aller deutschen Aaleinzugsgebiete (Deutschland gesamt) aus FLADUNG & BRÄMICK (2021)
Die Modellierungsergebnisse mit dem GEM IIIc (Abb. 1) verdeutlichen, dass durch das Zusammenspiel der seit 2006 ergriffenen Managementmaßnahmen der Rückgang der Aalbestände in den deutschen Aaleinzugsgebieten im Jahr 2013 gestoppt und nach einer kurzen Stagnationsphase mittlerweile ein Wiederanstieg erreicht werden konnte. Dieser Bestandszuwachs wird zumeist von jungen Aaljahrgängen getragen, die derzeit mehrheitlich Größen unterhalb des Mindestmaßes aufweisen und daher kaum fischereilich genutzt werden. Die Blankaalabwanderung folgt zeitlich versetzt der Bestandsentwicklung. Nach aktueller Datenlage hat sie im Jahr 2018 ihren Tiefpunkt erreicht und wird laut Modellprognose zukünftig wieder anwachsen. Ein dauerhaftes Erreichen der Mindestzielgröße von 40 % Abwanderungsrate von Blankaalen gemäß der Europäischen Aalverordnung wird für die Gesamtheit der deutschen Aaleinzugsgebiete in den nächsten 3-5 Jahren erwartet (Abb. 1), wobei der Zeitpunkt der Zielerreichung in den einzelnen Aaleinzugsgebieten variiert.
Anthropogene Sterblichkeitsraten in den deutschen Aaleinzugsgebieten
Die anthropogen bedingte Sterblichkeit v.a. durch Gewässerverbau, Gewässerverschmutzung, Berufs- und Freizeitfischerei sowie Wasserkraftanlagen ist nach der natürlichen Sterblichkeit ein wesentlicher Faktor für die Aalbestände in unseren Binnengewässern. Nach derzeitiger Einschätzung ist die anthropogen bedingte Mortalität für ca. 6 % (Stück) bzw. 36 % (Biomasse) der jährlichen Verluste im Aalbestand verantwortlich. Für eine weitere Erholung des Aalbestandes und letztendlich das dauerhafte Erreichen einer Blankaalabwanderung von 40 % im Vergleich zum Referenzzeitraum ist es daher entscheidend, dass die anthropogene Gesamtsterblichkeitsrate ΣA im Aalbestand den zulässigen, flussgebietsspezifischen Grenzwert nicht überschreitet. In Abbildung 2 sind die anthropogenen Aalsterblichkeitsraten der deutschen Aaleinzugsgebiete für den Zeitraum 2017-2019 den nach ICES (2013) berechneten Maximalwerten gegenübergestellt.
Demnach übersteigen die anthropogen verursachten Sterblichkeitsraten in den Aaleinzugsgebieten Elbe, Maas und Weser die maximalen Grenzwerte, die für eine Blankaalabwanderung in der vorgegebenen Menge zulässig wären. In allen anderen deutschen Aaleinzugsgebieten sowie für Deutschland insgesamt betrachtet liegen die aktuellen anthropogenen Sterblichkeitsraten hingegen in Bereichen, die mittelfristig eine Erreichung der Zielabwanderung gewährleisten.
Abb. 2: Aktuelle anthropogene Aalsterblichkeitsraten (ΣA) in den neun deutschen Aaleinzugsgebieten sowie für Deutschland insgesamt im Vergleich mit den maximal zulässigen Sterblichkeitsraten nach ICES (2013) zur Erreichung der Zielabwanderung von 40 % Blankaalbiomasse
Grundsätzliche Schlussfolgerungen
Der Aal stellt für viele Fischereiunternehmen in Deutschland eine wichtige Wirtschaftsgrundlage dar (BRÄMICK et al. 2008, FLADUNG & EBELING 2016). Zudem ist er eine beliebte Zielfischart der Angelfischerei (ARLINGHAUS 2004, FLADUNG & ARLINGHAUS 2009, DOROW 2015). Die Ursachen des beobachteten, massiven Bestandsrückgangs sind komplex und noch weitgehend ungeklärt (ICES 2022). Angesichts der kritischen Bestandssituation sollen auf Basis der Europäischen Aalverordnung Maßnahmen ergriffen werden, die die Blankaalabwanderung erhöhen sowie eine nachhaltige Nutzung des Aals erlauben. Dazu ist es in den meisten Flussgebieten notwendig, bestandsstützende Besatzmaßnahmen zum Ausgleich des bestehenden Rekrutierungsdefizits durchzuführen und gleichzeitig Maßnahmen zur Reduzierung der anthropogen bedingten Sterblichkeit zu ergreifen. Auch eine Verringerung des Kormoranbestandes als Teil der natürlichen Sterblichkeit könnte einen bedeutsamen Beitrag zur Verringerung der Sterblichkeit im Aalbestand leisten (vgl. BRÄMICK et al. 2008).
Letztendlich zeigt sich hier aber auch das Dilemma bei der Aalbewirtschaftung: Aus wissenschaftlicher Sicht ist die panmiktische Population des Europäischen Aals (Gesamtbestand) entscheidend. Unterstützende Managementmaßnahmen sind aber nur auf lokaler Ebene möglich und ihre Wirkung auf die Entwicklung des Gesamtaalbestandes kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Unter diesem Blickwinkel ist die Forderung nach einer weiteren Reduzierung der anthropogenen Sterblichkeit im Aalbestand zunächst einmal grundsätzlich zu unterstützen.
Wirkung der Managementmaßnahmen Einstellung des Aalbesatzes, 6monatige Schonzeit, Aalfangverbot
Im aktuellen ICES-Advice wird ein vollständiges Fangverbot für Erwerbsfischerei und Angler gefordert. Da Besatzmaßnahmen vom Glasaalfang abhängen und somit im Widerspruch zu den aktuellen Fangempfehlungen stehen, wird zugleich die komplette Einstellung des Aalbesatzes empfohlen (ICES 2022). Desweiteren ist eine Ausdehnung der bislang nur für Gemeinschaftsgewässer der EU geltenden, 6monatigen Schonzeit auch auf die Binnengewässer und damit für alle deutschen EMUs in der Diskussion.
Einstellung des Aalbesatzes
Über alle deutschen Aaleinzugsgebiete gesehen macht Aalbesatz aktuell einen Anteil von 85 % an der Gesamtrekrutierung aus (FLADUNG & BRÄMICK 2021). Eine Einstellung des Aalbesatzes würde beim derzeitigen Verbauungsgrad unserer Gewässer zu einem weitgehenden Verschwinden des Aals aus seinem Binnenverbreitungsgebiet führen. Würde beispielsweise in der Elbe ab dem Jahr 2023 nicht mehr besetzt, würde nach unseren Modellberechnungen die abwandernde Blankaalmenge im Jahr 2031 unter die 40 %-Zielgröße fallen (Abb. 3). Bei unverändertem natürlichem Aalaufstieg auf dem derzeitigen Niveau würden ab dem Jahr 2035 konstant nur noch 5 % der Blankaalmenge im Vergleich zum Referenzzeitraum abwandern. Nur unter der Voraussetzung, dass der natürliche Aalaufstieg zunimmt und das Niveau des Referenzzeitraums wieder erreicht, wäre eine Wiedererreichung der Zielgröße von 40 % Abwanderungsrate etwa im Jahr 2050 möglich. Mit Besatzmaßnahmen beträgt die Abwanderungsrate im Jahr 2023 schätzungsweise 19 % und wird bei vollständiger Umsetzung der geplanten Managementmaßnahmen in der nächsten Dekade den Zielwert von 40 % erreichen und danach weiter steigen. Ähnliche Prognosen gibt es auch für die übrigen deutschen Flussgebietseinheiten. Auch hier wären ohne Besatz die Vorgaben der EU-Aalverordnung (40 % Abwanderungsquote) mittelfristig nicht erreichbar.
Abb. 3: Mit dem GEM IIIc prognostizierte Entwicklung der Blankaalabwanderung in der EMU Elbe im Vergleich a) IST (Beibehaltung Aalbesatz), b) Einstellung Besatz + zukünftiger Anstieg des natürlichen Aalaufstieges, c) Einstellung Besatz + unverändert bleibender natürlicher Aalaufstieg
Beispiele aus der wissenschaftlichen Literatur belegen zudem, dass ein adaptives, regionales Management, welches Besatz als tragende Größe integriert, den Bestand in einem Gewässersystem anheben und stabilisieren kann (APRAHAMIAN et al., 2021, BRÄMICK et al. 2016). Des Weiteren ist derzeit nicht klar, was es bedeuten würde, wenn man den Besatz einstellen und somit weite Teile des natürlichen Aufwuchshabitats für den Aal aus dem Management ausklammern würde. Möglicherweise tragen gerade Laichtiere aus den großen deutschen Flussgebieten signifikant zum Bestand der Laichtierbiomasse bei (REISMANN & FRANKOWSKI 2021). Der vielzitierte Nettonutzen der Einstellung von Besatzmaßnahmen ist demnach derzeit ungewiss - es kann aktuell nicht eingeschätzt werden, was effektiver für die Erhöhung des Laicherbestandes des Europäischen Aals ist: der Verbleib der Glasaale in den Küstenregionen (mit einer wesentlich höheren Bestandsdichte) oder das Umsetzen eines Teils der Glasaale in die (wesentlich dünner besiedelten) Binneneinzugsgebiete.
Aus demselben Vorsorgegedanken heraus und zur Zielerreichung der EU-Aalverordnung empfehlen daher die Bearbeiter der Aalbewirtschaftungspläne, bestandsstützende Besatzmaßnahmen zum Ausgleich des bestehenden Rekrutierungsdefizits zumindest mittelfristig beizubehalten. Allerdings sollten Besatzmaßnahmen auf lokaler oder regionaler Ebene überdacht und ggf. angepasst bzw. weiter optimiert werden. Entsprechende Ansätze mit wissenschaftlicher Begleitung bzgl. der proaktiven Optimierung von bestandsstützendem Besatz im Sinne der Europäischen Aalverordnung sind in einzelnen Einzugsgebieten (z.B. Elbe) bereits etabliert. Ein solches Vorgehen ist die Grundlage für eine wissensbasierte adaptive Weiterentwicklung des Besatzmanagements.
6monatige Schonzeit
Für die Binneneinzugsgebiete der EMUs Elbe (Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein), Oder (Brandenburg), Weser (Niedersachsen), Eider und Schlei/Trave (beide Schleswig-Holstein) liegen monatliche Angaben zu den Aalfängen der Erwerbsfischerei im Zeitraum 2008-17 vor. Bei einer halbjährigen Schonzeit zur Hauptwanderzeit der Blankaale im Zeitraum August-März würden die Fänge der Erwerbsfischerei in der Elbe um 22-64 %, in der Oder um 12-28 %, in der Weser um 45-50 %, in der Eider um 58-75 % und in der Schlei/Trave um 11-46 % zurückgehen. Der voraussichtliche Rückgang der Anglerfänge in diesem Zeitraum kann mangels Daten nicht abgeschätzt werden. Zudem können Angler den Zeitraum ihrer Angeltätigkeit wesentlich flexibler als Erwerbsfischer gestalten und fangen in geringerem Umfang Blankaale. Insgesamt betrachtet wäre es jedoch möglich, bestimmte Schonzeiten in jedem Flussgebiet zu integrieren und dabei die Bedürfnisse der Berufs- und Angelfischerei in angemessenem Umfang zu berücksichtigen. Mehrmonatige Schonzeiten wären realistisch (und bestehen bereits in Teileinzugsgebieten der EMUs Elbe, Ems und Weser). Sechsmonatige Schonzeiten würden in manchen Flussgebieten jedoch zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen in der Erwerbsfischerei führen (s. Abschnitt „Aalfangverbot“).
Für die beispielhafte Betrachtung der Auswirkungen einer 6monatigen Schonzeit auf die Aalbestandsentwicklung und die Blankaalabwanderung in der Elbe wurde ab dem Jahr 2023 ein 50 %iger Rückgang der Aalfangerträge in der Erwerbs- und Angelfischerei angenommen (Abb. 4). Wie die Prognose der zukünftigen Blankaalabwanderung zeigt, wäre dadurch eine um ein Jahr vorgezogene Erreichung der Zielgröße von 40 % Blankaalabwanderung in der Elbe möglich. Etwa ab dem Jahr 2028 würde sich die Blankaalabwanderung in ähnlicher Weise wie ohne Schonzeit, aber auf deutlich höherem Niveau weiterentwickeln.
Abb. 4: Mit dem GEM IIIc prognostizierte Entwicklung der Blankaalabwanderung in der EMU Elbe im Vergleich a) IST (Beibehaltung Managementmaßnahmen), b) zusätzliche Schonzeit mit einer Verringerung der Aalfänge durch Fischer und Angler um 50 %
Die Bearbeiter der Aalbewirtschaftungspläne empfehlen daher, Schonzeiten an die regionalen Verhältnisse anzupassen. Eine pauschale, in jedem Flusseinzugsgebiet identische Schonzeit in Anlehnung an die Schonzeit im Küstenbereich würde den Erfordernissen kaum entsprechen. Vielmehr ist eine Schonzeit in Abhängigkeit von der fischereilichen Nutzung sowie den natürlichen Gegebenheiten einzuordnen. Eine 6monatige Schonzeit kann ggf. nur in wenigen Einzugsgebieten umgesetzt werden, wo sie zu verkraftbaren negativen ökonomischen Effekten für die Erwerbsfischerei und vertretbaren Wohlfahrtsverlusten innerhalb der Anglerschaft führt (vgl. DOROW et al. 2010). Zum Schutz von abwandernden Blankaalen oder zur Schonung der lokalen Aalbestände sind zudem auch andere fischereiliche Regularien (z.b. bag limit, Maximalmaß) möglich und angemessen (s.u.).
Gleichzeitig weisen die Bearbeiter der Aalbewirtschaftungspläne darauf hin, dass der Unterstützungsgrad für strengere fischereiliche Maßnahmen maßgeblich von der Regulierung anderer Einflussgrößen und den daraus resultierenden Managementeffekten abhängt (DOROW et al. 2009). Eine alleinige weitere Beschränkung der Fischerei ohne zusätzliche Regulierung bekannter regional wirkender Einflussgrößen (z.B. Wasserkraftmortalität) würde zur Ablehnung dieser Managementmaßnahme führen und Konflikte bei der Umsetzung des Aalmanagements hervorrufen (DOROW et al. 2009). Entsprechend ist anzustreben, ausgeglichene und regional wirksame Managementpakete zu entwickeln, die eine breite Akzeptanz erfahren.
Aalfangverbot
Anhand des deutschen Aalbestandsmodells ist es möglich, die Faktoren zu beschreiben, die den größten Effekt für die Blankaalabwanderung haben. Bei der Weiterentwicklung des Managements sollte der Fokus daher auf die jeweiligen Hauptmortalitätsfaktoren in den einzelnen Einzugsgebieten gerichtet werden. Ist dies die fischereiliche Sterblichkeit, müssen weitere Fangregularien in Betracht gezogen werden.
In der nachfolgenden Abbildung 5 sind die modellhaft berechneten Folgen eines kompletten Fangverbotes für Fischer und Angler in der EMU Elbe dargestellt. Bei einem vollständigen Fangverbot mit Weiterführung des Besatzes ab dem Jahr 2023 wäre eine um ein Jahr vorgezogene Erreichung der Zielgröße von 40 % Blankaalabwanderung möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei einem kompletten Fangverbot der durch Fischer und Angler durchgeführte und teilfinanzierte Aalbesatz aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der fehlenden Verfügbarkeit von Glasaalen eingestellt wird. In diesem (viel wahrscheinlicheren) Fall würde die Blankaalabwanderung nach einer kurzen Periode der Zielerreichung wieder deutlich unter die 40 %-Marke fallen und erst im Jahr 2045 (und nur unter der Voraussetzung, dass der natürliche Aalaufstieg auf das Niveau des Referenzzeitraums ansteigt) wieder die Zielgröße von 40 % Abwanderungsrate erreichen und übersteigen.
Abb. 5: Mit dem GEM IIIc prognostizierte Entwicklung der Blankaalabwanderung in der EMU Elbe im Vergleich a) IST (Beibehaltung Managementmaßnahmen), b) komplettes Fangverbot und Weiterführung des Aalbesatzes, c) komplettes Fangverbot und Einstellung des Besatzes
In einigen Gewässersystemen wird jedoch ein Aalfangverbot den Bestand und damit die Blankaalabwanderung kaum merklich steigern, da hier andere Faktoren (z.B. die Mortalität durch Wasserkraftanlagen) maßgebend sind. Fangverbote würden nur zu Unmut bei den bisher dem Aalmanagement gegenüber positiv eingestellten Erwerbsfischern und Anglern führen Darüber hinaus müssen die ökonomischen Folgen für die einzelnen Nutzergruppen (Stakeholder) berücksichtigt werden. Beispielsweise macht der Aalfang im Mittel rund 50 % des Umsatzerlöses aus der Fangfischerei im Binnenbereich von Mecklenburg-Vorpommern aus (FRANKOWSKI et al. 2018).
Ein komplettes, deutschlandweites Aalfangverbot ist damit
- in weiten Bereichen für den weiteren Aufbau der Aalbestände nicht zielführend, erhöht jedoch die Konflikte mit den Nutzergruppen, die aktiv in die Umsetzung des Aalmanagements eingebunden sind und bereits Zugeständnisse bei der Nutzung gemacht haben (DOROW et al. 2009, DOROW et al. 2021)
- mit massiven wirtschaftlichen Folgen für viele Seen-, Flussfischerei- und Küstenfischereibetriebe verbunden und würde zu zahlreichen Betriebsaufgaben führen (FLADUNG & EBELING 2016).
Zudem wären große Wohlfahrtsverluste in der Angelfischerei zu erwarten; allein in Mecklenburg-Vorpommern würden strengere Fangregularien für Angler zu Wohlfahrtsverlusten in Millionenhöhe führen (DOROW et al. 2010). Diese darstellbaren sozioökonomischen Effekte sind in den Abwägungsprozess über die Ausrichtung des zukünftigen Aalmanagements zu integrieren. Ebenso zu berücksichtigen sind die erbrachten Leistungen des Fischereisektors bei der aktiven Ausgestaltung des Aalmanagements innerhalb der letzten 10 Jahre. Neben dem Aufbringen privater finanzieller Mittel ist hier ebenso das ehrenamtliche Engagement herauszustellen. Ohne die Anerkennung und Würdigung dieser Leistungen ist zu erwarten, dass das bisherige Engagement des Fischereisektors auch in Bezug auf andere Maßnahmen (z.B. Durchführung von Besatzmaßnahmen, Bereitstellung von Informationen und Daten) komplett eingestellt wird und mit solch einem Szenario erhebliche weitere Probleme entstehen.
Die Bearbeiter der Aalbewirtschaftungspläne empfehlen daher, auf ein generelles Aalfangverbot zu verzichten, um die Erwerbsfischerei in Deutschland zu erhalten und das Engagement der Anglerschaft für den Aalschutz abzusichern. Weitere Regularien zur Reduktion der fischereilichen Mortalität (Schonung von großen Laichtieren über Maximalmaß (Entnahmefenster), Einführung von weiteren Entnahmeregeln für Angler, etc.) erfahren nur dann eine Akzeptanz, wenn gleichermaßen andere Einflussgrößen reguliert werden (DOROW et al. 2009). Der Mensch als Nutzer muss in die verschiedenen Szenarien eingebunden werden. Wir sprechen uns daher für die Fortsetzung von regionalen Bestandsanalysen und daraus abgeleiteten, angepassten und auf die jeweilige Situation zugeschnittenen Managementmaßnahmen aus. Die Weiterentwicklung des Managements sollte dabei im Dialog der regionalen, einzubindenden Interessengruppen erfolgen (DOROW et al. 2021b). DOROW & ARLINGHAUS (2012) konnten zudem zeigen, dass eine lokal bezogene Ausgestaltung des Aalmanagements durch regional agierende fischereiliche Stakeholder im Vergleich zu einer überregionalen Ausgestaltung als effektiver anzusehen ist.
Schlussfolgerungen im Hinblick auf das zukünftige Aalmanagement
Die Bearbeiter der Aalbewirtschaftungspläne kommen zu dem Schluss, dass die bisherigen Maßnahmen zum Schutz des Aales überprüft und weiter optimiert werden müssen. Dabei sind auch Schonzeiten, Fangverbote, Entnahmebeschränkungen oder Änderungen von Besatzmaßnahmen als mögliche Optionen einzubeziehen. Wir warnen aber ausdrücklich vor pauschalen Besatzverboten oder ganzjährigen Schonzeiten für ganz Deutschland. Angesichts der vielfältigen Ursachen für den Bestandsrückgang würde eine singuläre Regulierung der Fischerei dem Schutz des Aals nicht gerecht werden und möglicherweise auch starke negative Effekte für den Gesamtbestand nach sich ziehen. Außerdem müssen die spezifischen Gegebenheiten im jeweiligen Flussgebiet bedacht werden, sie lassen keine Maßnahmen „von der Stange“ zu. Wir plädieren daher dafür, die bisherigen Maßnahmenmaßnahmen in den einzelnen Flussgebieten nach Effizienz bzw. Wirksamkeit für den Bestandsaufbau neu zu bewerten, die jeweiligen Maßnahmepakete ggf. anzupassen und anschließend konsequent umzusetzen. Diese Weiterentwicklung des Aalbestandsmanagements sollte im Dialog mit den betroffenen Stakeholdern erfolgen. In den Abwägungsprozess sind zudem sozioökonomische Kenndaten aufzunehmen, um effektive Maßnahmen zu identifizieren, die auf eine breite Akzeptanz treffen. Nur ein solches Vorgehen gewährleistet eine adaptive Entwicklung des Aalmanagements mit allen einzubindenden Stakeholdern. Da die regionale Ausgestaltung des Managements am effektivsten hinsichtlich der Wirksamkeit und der Minimierung von negativen sozioökonomischen Effekten ist, sollte das Aalmanagement weiterhin federführend durch die Länder ausgestaltet werden.