Haben Dinge für uns eine große Bedeutung, hält die Sprache viele Worte bereit: Der Hering kann grün und manchmal sogar blau kredenzt werden, es gibt ihn als Bückling, Bismarck oder Mops, in Russland wird er unter einem „Pelzmantel“ serviert, in Deutschland gilt er als „Brotfisch“. Er wird zum „Silber der Meere“ stilisiert, als Harung von einer verliebten Flunder verfolgt und zum Spannen von Zeltleinen taugt er auch noch.
Dass der Deutsche Angelfischerverband (DAFV) den Hering für 2021 zum Fisch des Jahres ernannt hat, spiegelt aber leider nicht seine Allgegenwart wider, sondern ist Ausdruck der Besorgnis. In enger Abstimmung mit weiteren Partnern wie dem Bundesamt für Naturschutz (BfN), dem Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) und dem Österreichischen Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF) möchte der DAFV mit dem „Fisch des Jahres“ auf die schädigenden Einflüsse des Menschen auf den jeweiligen Fisch und seine Lebensräume aufmerksam machen.
Der Hering hat für uns eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Er schafft Arbeitsplätze und sorgt für Umsatz. Rund 20 Prozent des in Deutschland angebotenen Fisches entfallen auf Heringe und Heringsprodukte. Als ihre Bundeslandwirtschaftsministerin ‑ und damit auch Ministerin für Fischerei - habe ich daher ein großes Interesse daran, dass die Heringsbestände nachhaltig bewirtschaftet werden. Vor kurzem haben wir dafür gerade erst wieder wichtige Weichen gestellt. Im Oktober werden in der Europäischen Union traditionell die Fangquoten für das kommende Jahr in der Ostsee festgelegt. Da Deutschland augenblicklich den Vorsitz EU-Ratspräsidentschaft innehat, musste ich das sensible Gleichgewicht zwischen dem notwendigen Schutz der Bestände und den Perspektiven für die Ostseefischer austarieren. Die Verhandlungen waren schwierig. Es ist uns aber gelungen, Kompromisse für den Sektor und bei allen Fischarten zu finden. Für den westlichen Hering war eine weitere deutliche Kürzung der Fangquote – nochmals um 50 Prozent – nicht zu vermeiden. Denn immer noch ist dieser für die Ostseefischerei sehr wichtige Heringsbestand in einem schlechten Zustand. Da ein Teil dieses Bestandes auch in der Nordsee vorkommt und dort bewirtschaftet wird, hoffen wir nun, dass dementsprechend die Europäische Kommission auch mit Norwegen ambitionierte Kürzungen aushandelt. Nur so kann es gelingen, diesen Heringsbestand wiederaufzubauen.
Für die Freizeitfischerei haben sich übrigens keine Änderungen ergeben. Damit bleibt es bei den bisherigen Regelungen eines „bag-limits“ von 5 Dorschen pro Freizeitfischer und Tag. Während der Schonzeit vom 1. Februar bis zum 31. März beträgt die Tagesfangbegrenzung weiterhin zwei Dorsche.
Angeln ist aktiver Naturschutz
Bei der Bewirtschaftung, dem Erhalt und dem Schutz der Fischbestände in Deutschland spielen auch die Anglerinnen und Angler eine zentrale Rolle. Die Arbeit in den mehr als 9000 Anglervereinen in Deutschland, die rund eine Millionen Menschen hinter sich versammeln, definiert sich auch über ihren aktiven Natur- und Umweltschutz. Das weiß ich sehr zu schätzen. Und ich ermutige Sie, sich weiter über die Hege und Pflege der Fischgewässer für unseren Naturraum zu engagieren. Hinzu kommt, dass das Angeln und die Freizeitfischerei eine beachtenswerte wirtschaftliche Bedeutung erlangt haben. Ihr können rund 52.000 Arbeitsplätze und ein ökonomischer Wert von rund 5,2 Milliarden Euro zugerechnet werden[1], beispielsweise über Angelkutter- und Fischzuchtbetriebe, Angelläden, Hotels, Pensionen und die Gastronomie. Neuesten Studien zufolge gehen rund 6,5 Millionen Menschen in Deutschland in ihrer Freizeit Angeln oder Fischen[2]. Die Tendenz ist steigend.
Dieser Trend verstärkt sich durch das uns alle beherrschende Thema Corona. Für die Angler gibt es in diesem Fall gute Nachrichten: Denn wer allein die Ruhe am Fluss sucht, verhält sich coronakonform. Abstandsregeln lassen sich hier leicht einhalten. Nach den neuesten Verschärfungen der Maßnahmen im November haben unser Ministerium allerdings viele Detailfragen besorgter Angler erreicht. Sie wollten wissen, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen ihr Hobby erlaubt bleibt. Hier gilt wie auch bei allen anderen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid19-Pandemie, dass den Bundesländern die Hoheit über die Regelungen obliegt. Ich möchte Sie als Dachverband der Angelfischer bitten, mit aktiv zu werden und dafür zu sorgen, dass Ihre Mitglieder seröse und valide Informationen erreichen. Denn Fake News gibt es schon genug, gerade in Corona-Zeiten.
Die Pandemie hat uns ganz klar gezeigt, was den Menschen wichtig ist. Neben der Freizeitfischerei profitiert auch die Landwirtschaft als Ganzes: Für mehr als jeden Dritten (39 Prozent) hat sie während der Corona-Krise weiter an Bedeutung gewonnen. Das ergibt eine Umfrage, die unser Ministerium bereits im April dieses Jahres hat durchführen lassen. Regionales Einkaufen hatte schon vor Corona einen hohen Stellenwert. Aber während der Krise kam der Wunsch nach Regionalität auch bei den Bauern an: Um 20 bis 30 Prozent sind die Umsätze von Wochen- und Bauernmärkten und von Hofläden in einzelnen Regionen gestiegen. Und auch der DAFV hat Veränderungen in diesem Prozentbereich festgestellt. Seit Ausbruch der Pandemie zieht es rund 20 Prozent mehr Menschen an die Gewässer und in die Angelvereine. Denn Angeln verspricht Entspannung für Körper und Geist, gerade wenn das Leben in vielen anderen Bereichen eingeschränkt ist. Darauf haben sich viele besonnen. Die Menschen suchen in diesen Zeiten verstärkt Erholung in der Natur, die Aussicht auf etwas Selbstgefangenes, das sich grün, blau, gebraten oder wie auch immer zubereiten lässt, macht die Angelegenheit nur noch attraktiver. Mehr Regionalität geht nicht.
Wir wissen also, dass Angelvereine wirtschaftlich und bei Naturschutz-Fragen eine bedeutende Rolle spielen. Gerade in dieser Zeit der akuten Pandemie haben sie aber darüber hinaus eine zunehmend wichtiger werdende gesellschaftliche Bedeutung und damit auch Verantwortung. Lassen Sie uns das in diesem Sinne gemeinsam gestalten.
Petri Heil!
Ihre Julia Klöckner
[1] Arlinghaus, R. (2004). Angelfischerei in Deutschland – eine soziale und ökonomische Analyse. Berichte des IGB 18, 168 pp.
[2] ifD Allensbach 14. Juli 2020