Bericht von der Jahreshauptversammlung des DAFV am 15. Juni 2019 in Berlin.
Am 15.06.2019 fand die Jahreshauptversammlung des DAFV in Berlin statt. Mit rund 130 Teilnehmern und hochrangigen Gästen aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung fand die Veranstaltung großen Zuspruch.
Unter dem Motto „Angeln in der Mitte der Gesellschaft“ steht die sozio-ökonomische Bedeutung der Angelfischerei im Vordergrund der Veranstaltung. In verschiedenen Vorträgen verdeutlichen die Gäste aus Politik und Wissenschaft: Angeln in Deutschland ist nachhaltig, zeitgemäß und gesellschaftlich bedeutsam.
Angler gehören in die Mitte der Gesellschaft
Wenn man eine Einladung, welche man für wichtig erachtet, persönlich nicht wahrnehmen kann, schickt man seinen besten Vertreter. Das ist dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eindrucksvoll gelungen. Als Leiter für die Unterabteilung Europa und Fischerei zeigte sich Alois Bauer in Vertretung für den parlamentarischen Staatssekretär Michael Stübgen im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), gut informiert und verdeutlichte in seiner eindrucksvollen Rede, die Wertschätzung und Unterstützung des BMEL für die Anglerinnen und Angler in Deutschland.
Bauer hebt am Anfang seiner Rede das überdimensionale Banner im Sitzungssaal hervor, „Das Banner “Angeln in der Mitte der Gesellschaft“, das finde ich sehr gut. Angler gehören in die Mitte der Gesellschaft, das belegen schon die Zahlen aktiver Angler und sie sind darüber hinaus für Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.“
Kritische, aber vertrauensvolle Zusammenarbeit
Bauer führt aus, dass das BMEL auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse die Aufgabe hat, politische Entscheidungen zu treffen. Den DAFV sieht Bauer ausdrücklich als kritischen, aber auch konstruktiven Partner, mit dem das BMEL gerne und vertrauensvoll zusammenarbeitet, auch wenn man öfter unterschiedliche Auffassungen hat. Diese Zusammenarbeit ist wichtig, da die Angler immer mehr von europäischen Entscheidungen betroffen sind. Beispiele dafür sind der Aal, die Tagesfangbegrenzung für Dorsche in der Ostsee oder auch die kommenden Regelungen im Zusammenhang mit der so genannten Kontrollverordnung. Auch angrenzende Entscheidungen aus dem Bereich des Umweltrechtes betreffen Angler im Bereich Kormoranmanagement der Wasserrahmenrichtlinie oder der Ausweisung von Naturschutzgebieten.
Fehlender Nachwuchs beim Dorsch
Die Anhebung der Tagesfangbegrenzung für den Dorsch von 5 auf 7 pro Tag im Jahr 2019, war ein Beweis für den Einsatz und die Unterstützung des BMEL für die Angler in Deutschland. Auch wenn es am Ende ein Kompromiss war. Für die Zukunft erwartet Bauer schwierige Verhandlungen auf Ebene der EU. Auf Grundlage der Nachwuchsprobleme beim Dorsch sind erneute Diskussionen, um eine Veränderung der Tagesfangbegrenzung für Angler zu erwarten. Das BMEL unterstützt die Forderung des DAFV für die Wiedereinführung einer Schonzeit.
Naturschutz, Angelverbote und öffentliche Wahrnehmung
Prof. Dr. Henning von Nordheim (Wissenschaftlicher Direktor und Fachgebietsleiter Meeres- und Küstennaturschutz im Bundesamt für Naturschutz) ist als fachlich Verantwortlicher für die Ausweisung der Naturschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) unter Anglerinnen und Anglern nicht unumstritten. Auch von Nordheim unterstreicht die Bedeutung und berechtigte Interessenlage der Anglerverbände für die Nutzung der Meeresgebiete vor Deutschlands Küsten. Von Nordheim, der als Kind laut eigener Aussage selbst geangelt hat, begrüßt die Forderung der Anglerverbände für die Wiedereinführung einer Schonzeit.
Fehleinschätzungen
In bekannter Art und Weise klärt von Nordheim über (aus seiner Sicht) Fehleinschätzungen in der öffentlichen Wahrnehmung im Zusammenhang mit der Ausweisung der Naturschutzgebiete und den damit verbundenen Angelverboten auf. Kurz zusammengefasst wurden die Angler und auch andere Interessengruppen aus der Sicht von von Nordheim am Entscheidungsprozess frühzeitig und umfassend beteiligt. Dazu wurde die Angelfischerei nur in kleinen Teilen der Naturschutzgebiete verboten. So seien nur 23% der Fläche im Fehmarnbelt, Teile der Kadetrinne und die Hälfte der pommerschen Bucht als Verbotszonen ausgewiesen worden. Dazu läge der Anfang der Verbotszone Pommersche Bucht 40 km von Sassnitz entfernt und sei damit nur für wenige Spezialisten überhaupt von Interesse.
Im letzten Punkt weist von Nordheim darauf hin, dass nicht nur die Angler als schwächstes Glied der Nutzer reguliert wurden, sondern in dem seit 12 Jahren andauernden internationalen Abstimmungsprozess auch die Berufsfischerei mit grundberührenden Schleppnetzen verboten wird. Dass am Anfang nur die Freizeitfischerei eingeschränkt wurde, liegt an dem Umstand, dass die Internationalen Verhandlungen zeitlich versetzt in Angriff genommen wurden. Von Nordheim hat die Hoffnung, dass man diese langwierigen Verhandlungen Ende 2019 zu einem erfolgreichen Ende bringen kann.
„Ihre Argumente werden ganz sicher gehört, wenn wir sie in einem ordentlichen und anständigen Dialog austauschen“
Von Nordheim appelliert am Ende seiner Rede an die organisierten Angler, mit dem BfN in einen sachlichen Dialog zu treten. Das BfN ist als Behörde nach bundesdeutschem Recht verpflichtet, alle Seiten zu hören und abzuwägen. „Ihre Argumente werden ganz sicher gehört, wenn wir sie in einem ordentlichen und anständigen Dialog austauschen“.
Aus Sicht des DAFV sollte man sich einem sachlichen Dialog auch in Zukunft nicht verschließen. Den Hauptkritikpunkt des DAFV, dass die Verbote für Angler ohne eine nachvollziehbare wissenschaftliche Begründung erlassen wurden und selbst die Wissenschaft keinerlei Grundlage für Angelverbote sieht, halten wir für ein sehr sachlich begründetes Argument. Es als Kompromiss zu verkaufen, dass man ja weniger Gebiete gesperrt hat, als man ursprünglich vorhatte, ist im Hinblick auf eine fehlende sachliche bzw. wissenschaftliche Begründung kaum nachvollziehbar.
Das Wort Beteiligung leitet sich aus dem Verb „teilen“ ab, Verbände und Wissenschaftler anzuhören, aber nur in unwesentlichen Punkten Kompromisse zu schließen, wird dem Begriff „teilen“ aus unserer Sicht nicht gerecht. Dazu hat natürlich die Art und Weise, wie die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks die Verbote am letzten Tag ihrer Amtszeit vor der Wahl ohne eine öffentliche Information still und heimlich erlassen hat, nicht unbedingt Vertrauen geschaffen. Auch der DAFV appelliert an das BfN, in der Zukunft mit den Anglerinnen und Anglern in einen sachlichen Dialog auf Grundlage wissenschaftlicher Fakten zu treten. Dafür sind wir mehr als offen.
„Dazu brauchen wir Informationen und dazu brauchen wir sie“
Dr. Uwe Brämick spricht als Leiter für das Sacrow Institut für Binnenfischerei (IfB) e.V. in Potsdam und als stellvertretender Vorsitzender des Verbandes Deutscher Fischereiverwaltungsbeamter und Fischereiwissenschaftler e.V. (VDFF). Das IfB ist eines der wesentlichen Institute für die Belange rund um das Süßwasserangeln in Deutschland. Der VDFF ist das Gremium der Fischereiverwaltungsbeamten in den jeweiligen Bundesländern und damit unter anderem für die Regelungen in den Fischereigesetzen und Fischereiverordnungen von entscheidender Bedeutung.
Dr. Brämick richtet die Grüße der neuen 1. Vorsitzenden des VDFF Frau Ulrike Weniger als Nachfolgerin von Dr. Franz Geldhauser aus und unterstreicht die Bedeutung des DAFV als größtes Mitglied im VDFF und dessen Bedeutung, insbesondere für die praktische Anwendung der Arbeit des VDFF. Er weist auf die vielen Veröffentlichungen und Arbeitshilfen für organisierte Angler auf der Webseite des VDFF (http://www.vdff-fischerei.de/ ), wie z.B. der Eindämmung von Fischseuchen oder Vorrichtungen zum Fischschutz an Wasserkraftanlagen, hin.
Aus Sicht von Dr. Brämick sind die Angler die Gruppe, welche am engagiertesten und am frühsten für die Wiederansiedlung von Lachsen in Deutschland aktiv eingetreten ist. Dass die Zahlen der Rückkehrer immer noch auf niedrigem Niveau stagnieren - trotz Verbesserungen in einigen Lebensräumen - ist eine zukünftige Herausforderung für die Wissenschaft. Junge Lachse (Smolts) wandern in großer Zahl ab und im Elbe- Einzugsgebiet steigen auch mehr Lachse auf, als man in den Oberläufen der Zuflüsse wiederfindet. Woran das liegt ist unklar. Mit Hilfe der Angler will Dr. Brämick diese offenen Fragen in der Zukunft eingehender untersuchen.
Grundsätzlich bemängelt Dr. Brämick die fehlenden Datenbasis im Bereich der Angelfischerei. „Die Darstellung der Angelfischerei im diesjährigen Bericht zur Binnenfischerei ist traurig. Sie ist deshalb traurig, weil wir wenig Datenmaterial haben. Es sind nur Schätzungen. Wir trauen uns gar nicht richtig zu sagen, wie bedeutsam die Angelfischerei ist, weil wir keine guten Daten haben. Hier müssen wir besser werden“. Dr. Brämick bittet die Angler mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten, um die Datenbasis und damit auch die Sichtbarkeit der Angelfischerei in Deutschland zu verbessern. „Dazu brauchen wir Informationen und dazu brauchen wir sie“.
Der DAFV hatte bereits vor einiegen Monaten aus eigener Initiative ein Treffen zu diesem Thema mit dem IfB einberufen und Dr. Brämick kündigte an, diese wichtige Arbeit zeitnah fortzuführen.
Dr. Michael von Abercron (Ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Deutschen Bundestag) fragt in Bezug auf die Ausführungen von Henning von Nordheim, welchem Schutzzweck denn die Angelverbote in den Naturschutzgebieten der AWZ überhaupt dienen und stellt damit die Sinnhaftigkeit der Verbote insgesamt in Frage. Von Abercron beklagt dazu, dass das Europäische Parlament bereits vor vielen Jahren einen Beschluss für ein Europäisches Kormoranmanagement gefasst hat, aber diesem Beschluss keine Taten hat folgen lassen. Dazu soll die Tagesfangbegrenzung für Dorsche bei der derzeitigen Regelung belassen werden, da die Bestandsrückgänge nicht auf die Fischerei zurückzuführen sind und die Angler weniger Dorsche fangen, als vor der Regelung prognostiziert wurde wurde.
Videobotschaft von Dr. Gero Hocker
Da der neue Präsident des Deutschen Fischerei-Verbandes e.V. Dr. Gero Hocker aus terminlichen Gründen nicht persönlich teilnehmen kann, wendet er sich auf digitalem Weg mit einer vorab aufgezeichneten Videobotschaft an die Teilnehmer der Versammlung. Die Videobotschaft haben wir in unserem Youtube Kanal veröffentlicht: https://youtu.be/ZwjSoQFtTlg
Bericht der Präsidentin Dr. Happach-Kasan
Dr. Christel Happach-Kasan informiert in ihrem Jahresbericht umfänglich über die Arbeit des DAFV im Jahr 2018/19.
„Liebe Anglerinnen und Angler, liebe Gäste. Jeder hier hat seinen Beitrag geleistet, den Bundesverband zu stabilisieren. Jetzt gilt es ihn weiter auszurichten, ihn zu stärken und auszubauen, so die Präsidentin des DAFV, Dr. Christel Happach-Kasan.
Angeln ist seit je her ein Teil unserer Gesellschaft. Angeln vermittelt Lebensqualität, bietet Erholung und Abenteuer. Angeln vermittelt Artenkenntnis und ökologische Zusammenhänge und in Zeiten, in denen Kühe Lila und Fische eckig sind, geht doch nichts über einen selbstgefangenen Fisch. Angeln ist zeitgemäß.
„Angelpolitisch war das Jahr 2018 von Erfolgen geprägt. Es hat sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, die konstruktive Kommunikation, aber auch Konfrontation zu suchen und zu führen“, so Dr. Happach-Kasan weiter.
Die Tagesfangbegrenzung beim Dorsch wurde von 5 auf sieben Fische pro Angler und Angeltag angehoben. Zudem wurde im Dezember zwischen den EU-Institutionen eine vorläufige Vereinbarung getroffen, welche die Freizeitfischerei von der sogenannten „Anlandeverpflichtung“ in Meeresgebieten ausnimmt. Die Kampagne #protectwater war für die Außenwahrnehmung ein voller Erfolg und hat uns nicht nur von vielen Organisationen eine positive Rückmeldung beschert, es hat vielmehr auch unser Ansehen in der Politik gestärkt.
Auf unserem Weg in die Mitte der Gesellschaft war es wichtig zu erkennen, welche Wege wir einschlagen und welche Bilder wir schaffen müssen, um unsere Argumente erfolgreich zu platzieren. Wer sind unsere Ansprechpartner und welche Kanäle müssen wir bedienen? Genauso wichtig, wie die Kommunikation nach innen ist, werden wir verstärkt auch die Schnittstellen zur nichtangelnden Gesellschaft bedienen. Umso mehr erfreut uns der Antrag unserer Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen und wir begrüßen den Wunsch, den DAFV im Hauptamt weiter stärken zu wollen.
Es stehen uns aber auch wieder neue Herausforderungen ins Haus. Die Situation der Dorschbestände in der Ostsee muss uns aufhorchen lassen. Die Quotenvorschläge für 2020 für die berufliche Fischerei lassen wenig Spielraum für Verhandlungen. Auch unsere interne Entwicklung wird in den kommenden beiden Jahren einige Kapazitäten binden. Doch wir wollen uns bewegen und wir werden uns auch weiterhin zeitgemäß entwickeln, so die Präsidentin des DAFV.
Angeln aus der Praxis
Jörg Strehlow veranschaulicht als professioneller Angelguide in einer unterhaltsamen Präsentation das praktische Angeln in Bildern. Strehlow fühlt sich insbesondere der nachhaltigen und verantwortungsbewussten Angelpraxis am Wasser verpflichtet und vermittelt dies auch seinen Kunden auf den geführten Angeltouren. Dazu hat Strehlow auch eine Fortbildungsveranstaltung mit dem Titel: „Bildung mit Biss“ ins Leben gerufen.
Akzeptanz des Angelns in der Gesellschaft
Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin präsentiert die neusten Studienergebnisse zu dem Thema „Akzeptanz des Angelns in der Gesellschaft“. Prof. Dr. Arlinghaus ist ein führender Wissenschaftler im Bereich der Forschung zur sozio-ökonomischen Bedeutung des Angelns. Immer weniger Menschen kennen unsere heimischen Fischarten, dazu versuchen selbsternannte Tierrechtsorganisationen Angeln in der öffentlichen Meinung zu stigmatisieren. So stimmen heutzutage nur noch 33% der Bevölkerung dem Satz zu „Angeln ist eine sinnvolle Aktivität“. Dass der Zeitgeist einem ständigen Wandel unterliegt zeigt auch das Ergebnis, dass „Öko-Angeln“ heute moralisch legitimierter als Angeln zur Selbstversorgung gesehen wird. So finden es mehr Menschen moralisch akzeptabel zu „Angeln, um das ökologische Gleichgewicht wiederherzustellen“ als „Angeln, um Fische zu essen“.
DAFV Forschungspreis 2018
Dr. Marc Simon Weltersbach ist seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ostseefischerei in Rostock und im Jahr 2018 Gewinner des mit 1.000 Euro dotierten Forschungspreises des DAFV. Mit seiner Dissertation über den „Einbezug der Sterblichkeit von Rückwürfen in der Freizeitfischerei in das europäische Fischereimanagement“ hat er einen wesentlichen Beitrag für uns Angler in der Diskussion um die Sinnhaftigkeit einer Anlandeverpflichtung von Dorschen oder Wolfsbarschen geleistet. In einer Präsentation gibt Weltersbach einen kleinen Einblick in seine Arbeit. Während seiner Untersuchungen zur Promotion war ihm besonders der Praxisbezug und die Anwendungsorientiertheit wichtig. „Viele meiner Daten habe ich in Zusammenarbeit mit Anglern im Rahmen einer „Citizen Science“ Studie erhoben. Diese Form der Kooperation ist gut und sowohl für die Wissenschaft als auch für Angler ein wichtiger Beitrag für zukünftige Projekte. Der DAFV gratuliert dem Neudoktor zum Gewinn des Förderpreises.