EU-Wasserrahmenrichtlinie auf der Zielgerade?
Ein Resümee von Gerhard Kemmler. Artikel 14 der Richtlinie 2000/60/EG verlangt die Information und Anhörung der Öffentlichkeit. Sie fordert die Mitgliedstaaten auf, die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen zu fördern. Für den letzten Bewirtschaftungszyklus 2021 bis 2027, den die Richtlinie vorsieht, wurden mit Veröffentlichung der Dokumente der Flussgebietsgemeinschaften (FGG)am 22.12.2019 die Bürger und Bürgerinnen gebeten, bis 22.06.2020 ihre Bemerkungen und Vorschläge zu den wichtigen Wasserbewirtschaftungsfragen für die Aufstellung von Entwürfen der Bewirtschaftungspläne einzureichen. Wie schon in der ersten Anhörung 2018/19 hat der DAFV eine umfangreiche und kritische Stellungnahme eingereicht. Am 22.12.2020 erfolgt dann die Veröffentlichung der Entwürfe zu den Bewirtschaftungsplänen. Dazu kann jeder Interessierte bis zum 22.06.2021 Änderungsvorschläge einreichen. Es wäre wünschenswert, wenn unsere Angler, so wie beim vorjährigen, sehr erfolgreichen Fitness - Check zur Richtlinie zahlreich einbringen. Danach werden am 22. Dezember 2021 die behördenverbindlichen Bewirtschaftungspläne und die zugehörigen Maßnahmenprogramme vorgelegt.
Sehr geringe Fortschritte erzielt
Am 26.02.2019 legte die Kommission eine 180-seitige Einschätzung1 der Umsetzung der Richtlinie in den zurückliegenden Bewirtschaftungszyklen vor. Die Kommission schätzt ein, dass in Deutschland nur sehr geringe Fortschritte erzielt wurden, was wohl treffend ist.
Der DAFV hat sich in seiner Stellungnahme im Schwerpunkt auf den Komplex Durchgängigkeit bezogen. Sie ist eine unterstützende Qualitätskomponente und muss lt. Kommission mit Zielgrößen oder Referenzen untersetzt werden. Der Abschlussbericht2 des Institutes für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow zu “Wanderbewegungen von Gelbaalen in Fließgewässern und potenzielle Sterblichkeit an Wasserkraftanlagen“ verlangt geradezu wirksame Sofortmaßnahmen beim Fischschutz, die wir in einem flächendeckenden Turbinenmanagement als wichtige Maßnahme zur Zielerreichung 2027 sehen. Gelbaale in den verschiedenen Altersklassen können heute keine Wasserkraftanlage wirksam bei ihren jährlichen Auf- und Abwanderungen ausreichend schützen.
Die Kommission schrieb zu Schutzgebieten: „Es werden keine Ziele definiert, da die Bedürfnisse der wasserabhängigen Lebensräume und Arten nicht bekannt sind“.
Wir haben kritisiert, dass die „Charakteristischen Arten“ der Wasser-Lebensraumtypen Anhang I FFH-Richtlinie Art. 1 e) in Natura 2000 Gebieten beim Vollzug und in Gerichtsverfahren zu oft ignoriert werden. Es ist schon schlimm genug, dass regelmäßig in Natura 2000 Gebieten überhaupt Wasserkraft genehmigt wird. Die Kommission, so scheint es, wird Deutschland wegen Verstößen gegen die FFH-Richtlinie vor den Europäischen Gerichtshof bringen. Wir werden der Kommission noch extreme Beispiele benennen.
Kritik an Überwachungs- und Bewertungsmethoden
Wir nahmen die Kritik der Kommission zu Schwächen bei den Überwachungs- und Bewertungsmethoden auf. Immer wieder in die Kritik geraten über seine Aussagefähigkeit, ist das Fischbewertungssystems „fiBS“. Beispielsweise werden die Verluste von Fischen in den Altersstrukturen, die wichtig für die Reproduktionsfähigkeit sind, nicht ausreichend abgebildet. Wie wir alle wissen, basieren Bewertungen von Fischgewässern auf der Grundlage der zu erreichenden Fischbiomassen, die bis zu 1000 kg/ha bekannt sind. Davon abgeleitet wird die nachhaltige Ertragsfähigkeit. Wenn dann in einem großen Wasserkörper zufällig nur noch 20 kg/ha im Monitoring festgestellt werden und das „fiBS“ nicht einmal den schlechten Zustand ausweist, ist doch etwas faul. Hier sollte das System hinterfragt werden.
Wenn auch die FGGen auf unsere letzte Stellungnahme antworteten, dass das Umwelthaftungsrecht nicht Gegenstand der WRRL sei, irren sie sich gewaltig. Dazu ist bei der Kommission eine Beschwerde des DAFV anhängig.
Nicht zuletzt fordern wir, da trotz Kormoranverordnungen extreme Schäden der Fischfauna nicht ausgeblieben sind, besondere Schutzvorkehrungen für die Fließgewässer.
Wir zitieren die Kommission aus ihrem Bericht zum Fitness-Check3:
[blockquote author=""]Ferner ist der gute Zustand nicht nur von Maßnahmen zur Eindämmung der derzeitigen Belastungen abhängig, sondern auch von Wiederherstellungsmaßnahmen zur Beseitigung von in der Vergangenheit entstandenen Belastungen wie hydromorphologischen Veränderungen. Die nächste Runde von Maßnahmenprogrammen wird maßgeblich sein, um den erforderlichen Fortschritt zur Erreichung der Umweltziele bis 2027 sicherzustellen. Da derzeit für mehr als die Hälfte der europäischen Wasserkörper eine Ausnahmeregelung gilt, sind die Herausforderungen für die Mitgliedstaaten erheblich. Nach 2027 wird es weniger Ausnahmemöglichkeiten geben, da Verlängerungen nach Artikel 4 Absatz 4 nur in Fällen genehmigt werden können, in denen zwar alle Maßnahmen ergriffen wurden, die Ziele sich aufgrund der natürlichen Gegebenheiten jedoch nicht bis 2027 erreichen lassen.[/blockquote]
Mit der Zielstrebigkeit der vorgelegten Anhörungsdokumente ist ein Vertragsverletzungsverfahren, wie es gerade bei der FFH-Richtlinie geführt wird, unausweichlich.
Die vollständige Stellungnahme des DAFV zum 3. Bewirtschaftungszeitraum haben wir als Download eingefügt.
DAFV Stellungnahme zum 3. Bewirtschaftungszeitraum
1https://ec.europa.eu/environment/water/water-framework/pdf/Translations%20RBMPs/Germany.pdf
2http://wanderfische.eu/images/PDF/Fische/Abschlussbericht_Gelbaalwanderungen.pdf