Daten sind die mit Abstand stärkste Währung des 21‘sten Jahrhunderts. Aktuell handeln die vier erfolgreichsten Unternehmen der Welt vornehmlich mit Daten (Apple, Microsoft, Alphabet (Google) und Amazon).
Was hat das mit dem Angeln zu tun? Viel!
Keiner hat an unseren Gewässern auch nur annähernd so viel Daten aus erster Hand zu bieten, wie wir Anglerinnen und Angler. Tag und Nacht, Sommer wie Winter, über und unter der Wasseroberfläche sind die Augen und Ohren der Angler präsent. Wir sind die ersten, die Fischsterben melden, invasive Arten sehen, Wildtiere sichten, Fischarten bei der Elektrobefischung bestimmen, Müll und andere ungewollte Aktivitäten an unseren Gewässern beobachten.
Tausende Angler sind jeden Tag und überall am Wasser präsent. Wir erfüllen in vielen Fällen eine positive Aufsichtsfunktion – ein unschätzbarer Wert!
Und dennoch werden Anglerinnen und Angler in einigen Gebieten von ideologischen Naturschützern als störend gebrandmarkt und ausgeschlossen. Spendensammelnde Naturschutzverbände (NGOs) haben es verstanden, Entscheider in den höchsten Schaltstellen der Politik zu installieren und ihr Interessen oft auch gegen Angler konsequent durchzusetzen.
Chance für die Zukunft der Freizeitfischerei in Deutschland
Mehr denn je, gilt es für uns neue Felder zu erschließen. Strukturierte Datenerhebung an Gewässern ist ein Bereich, bei dem Anglern im wahrsten Sinne des Wortes keiner das Wasser reichen kann. Die Begehrlichkeiten der Politik, Wissenschaft und Verwaltungen nach einer besseren Datenlage könnten Angler in handfeste Vorteile im Sinne der Interessenvertretung ummünzen. Aber dafür müssen wir unsere Daten selbst erheben und in unserem Interesse gewinnbringend einsetzen. So lange die Anglerschaft in zahllosen Apps kostenlos Daten einfüttert, wo immer sich ein Vorteil bietet oder ein Interesse geweckt wird, ist nicht viel gewonnen.
Je strukturierter und weitreichender Daten erhoben werden, desto wertvoller werden sie. Die Fangmeldung eines einzelnen Gewässers sind isoliert gesehen nur für den Verein interessant, die Fangmeldungen einer Region für die lokale Verwaltung. Die Fangmeldungen eines Bundeslandes lassen die Fischereiverwaltung und Wissenschaftler aufhorchen, strukturiert gesammelte Daten aus dem gesamten Bundesgebiet machen uns zum mächtigen Ansprechpartner für die Ministerien in Deutschland und die EU, um die auch einflussreiche Entscheidungsträger, die den Interessen von Anglern fernstehen, nicht herumkommen. Schließt man die Angler aus, gibt es auch keine Daten mehr.
Daten haben Macht!
Tausende Sichtungen von Kormoranjagden, flächendeckende Meldungen von Otterverbissen oder Schäden durch Kegelrobben, hunderte Berichte von fehlenden Restwassermengen in Umgehungsgerinnen von Anlagen der Kleinen Wasserkraft. Angler wissen schon lange, dass es in Deutschland massive Fehlentwicklungen und unhaltbare Zustände mit dem Betrieb von Anlagen der kleinen Wasserkraft oder dem Prädationsdruck auf Fische gibt, aber wir finden bei vielen Problemen nicht das notwendige Gehör. Weder in der Politik noch vor Gericht. Einzelbeispiele haben wenig Beweiskraft und strukturierte Erhebungen sind unzureichend oder gar nicht vorhanden. Jeder weiß es, aber keiner kann es auf Grundlage der fehlenden Daten rechtssicher belegen. Daten haben Macht!
Durch die steigende Bedeutung der Freizeitfischerei für das Management der Fischbestände hat die EU das Thema Datenerhebung von Anglern mittlerweile auch in Angriff genommen. Wörtlich heißt es: „Der Erfolg der Gemeinsamen Fischereipolitik 1 (GFP) hängt wesentlich von der Durchführung einer wirksamen Kontrollregelung ab.“
Berichtspflichten in Nord- und Ostsee ab 2026
Am 20. November 2009 trat im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik die Fischerei Kontrollverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1224/2009) in Kraft. Im Anschluss an den ersten Umsetzungsbericht in 2017 (Bewertungsperiode 2009-2014) identifizierte die EU-Kommission 2018 gravierende Schwächen, welche sie dazu veranlasste, dem Rat der Europäischen Union und dem EU-Parlament, Änderungen vorzuschlagen. Diesen Sommer, fünf Jahre später, konnten sich die europäischen Gesetzgeber nach langen interinstitutionellen Verhandlungen am 30. Mai 2023 auf einen Kompromiss einigen. Damit treten auch zum ersten Mal unwiderruflich Berichtspflichten für die Freizeitfischerei in deutschen Meeresgebieten in Kraft. Spätestens ab dem 1. Januar 2026 sind die Mitgliedsstaaten aufgefordert Daten an die EU zu liefern. Laut der aktuellen Fassung der Kontrollverordnung müssen sich Angler sowohl in Nord- und Ostsee registrieren, dazu ihre Angeltage als auch ihre Fänge und ihre zurückgesetzten Fänge für ausgewählte Fischarten (voraussichtlich erst mal Wolfsbarsch, Lachs und Dorsch) erfassen. Die Mitgliedsstaaten haben die Wahl auf eine Lösung der EU zu setzen oder die Daten selbst zu erheben und bei der EU elektronisch anzuliefern. Die zu berichtenden Fischarten können dazu über die Zeit angepasst werden. Voraussichtlich ab dem 1. Januar 2030 sollen sämtliche Fänge quotierter Fischarten von Freizeitfischern im Meer, gemeldet werden.
Ab dem Jahre 2030 könnte für Angler in der Nord-und Ostsee die Pflicht bestehen, sämtliche Fänge für quotierte Fischarten zu melden. Foto: DAFV, Olaf Lindner
Das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der DAFV haben sich im Vorfeld gegen ausufernde Berichtspflichten für die Freizeitfischerei ausgesprochen. Aus Sicht des DAFV gibt es aber keinen vernünftigen Grund sich sinnvollen Erhebungen grundsätzlich zu verweigern. Regulierungen für Angler beruhen vielfach auf Stichproben welche über Modelle hochgerechnet werden. Diese können massiv über- oder unterschätzt sein, aber in allen Fällen hinterlässt das aktuelle Verfahren nur Verlierer, da keine Seite den aktuellen Daten traut.
Aktuelle, verlässliche Fangbücher könnten für Angler auch handfeste Vorteile bringen. Damit wären z.B. monatliche oder jährliche maximale Fangentnahmen für Fischarten durchaus vorstellbar.
Aus Sicht des DAFV stehen wir an einem historischen Wendepunkt. Die Kontrollverordnung ist bereits beschlossen und die Umsetzungsforderungen werden kommen. Eine abwartende oder verweigernde Haltung wird aus unserer Sicht Verlierer auf allen Seiten hinterlassen. Es braucht sicher keinen Propheten, um die kommenden Schuldzuweisungen zu skizzieren: Für gewöhnlich läuft das im digitalen Entwicklungsland Deutschland so: Das Ministerium sagt, Fischereirecht ist Ländersache. Die Länder sagen, das ist ja noch etwas hin und wir haben dafür auch keine Kapazitäten; und die EU stellt ja eine Lösung bereit. Daraus folgt, dass ab dem 01.01.2026 die Angler in einer Hauruckaktion in die unverständliche Berichtsmaske der EU ihre Daten einfüttern müssen. Und als wäre dies nicht schon unbefriedigend genug wären die Daten für Deutschland und die Angler in Deutschland verloren. Alle Seiten sind frustriert und keiner war schuld. Es ist noch früh. Aber insbesondere in Deutschland braucht es Mut und Vorstellungskraft neue Wege zu beschreiten. Erwartbar ist ein steiniger Weg, gespickt von lokalen Eitelkeiten, Datenschutzblendgranaten, Kompetenzgerangel vermeintlichem lokalen Machtverlust und jegliche Form von Ressentiments..
Eine zentrale App für Angler könnte perspektivisch noch weitere zukunftsweisende Aspekte bedienen. Das so genannte Citizen Science (Übersetzt: „Bürger machen Wissenschaft“) wird immer populärer. Es ist zum Lieblingskind von Politik, Behörden und zahlreicher NGOs geworden. Z.B. ruft der NABU jedes Jahr dazu auf, dass Bürger Vogelsichtungen in ihren Vorgärten melden, und schafft es damit als Meldung in die Tagesschau. Die Ergebnisse von gemeinsam gemeldeten Sichtungen durch Angler haben ein enormes Potential, wenn wir es in der Zukunft verstehen, diese auf freiwilliger Basis strukturiert zu erheben und in unserem Sinne einzusetzen.
Deutschland ein digitales Entwicklungsland
Man kann dies sehr schön an dem desolaten Zustand und der fehlenden Digitalisierung der Verwaltungen und Behörden in Deutschland ablesen. Da in der Vergangenheit jeder seine eigene temporäre Datenstruktur etabliert hat und es kaum Absprachen gab bzw. gibt, ist eine Zusammenarbeit und damit bürgerfreundliche Verwaltung kaum möglich. Jede Anglerin und jeder Anger, der einmal in ein anderes Bundesland gezogen, oder an einem externen Gewässer angeln gehen wollte, kann davon ein Lied singen.
Auch der Gesetzgeber hat das Problem erkannt. Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) verpflichtet daher Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. In diesem Zuge haben die Fischereibehörden ein Projekt zur Abstimmung einheitlicher Fischereischein-Prüfungsfragen sowie Grundlagen einer praktischen Fischereischein-Ausbildung für die deutschen Bundesländer ins Leben gerufen.
Bei Projekten zur Erhebung von Daten kommt dazu unweigerlich und zurecht das Thema „Datenschutz“ auf das Tapet. Der Bundesverband versteht seine Rolle hier als Dienstleister im Rahmen satzungsgemäßer Zwecke für die angeschlossenen Landesverbände und Vereine. Die Hoheit über die gesammelten Daten sollte auf Grundlage eines gemeinsamen Datenschutzkonzeptes in erster Linie bei den Vereinen und Verbänden verbleiben. Aber ohne eine gemeinsame Datenstruktur und eine übergreifende „Plattform“ bleiben viele Potentiale ungenutzt.
Wie geht es weiter?
Der DAFV versucht derzeit in Absprache mit Vertretern aus Wissenschaft, Verwaltungen und Politik auszuloten, ob und in welcher Form Deutschland eine eigene Lösung für die Anforderungen aus der Kontrollverordnung und perspektivisch weitergehenden Funktionalitäten in Angriff genommen werden kann. Dazu steht die Frage im Raum, wie diese finanziert wird. Ein zentraler und naheliegender Baustein (wenn auch längst nicht der einzige) wäre sicher eine digitale App. Da aber aus Sicht des DAFV für alle neuen Vorhaben der Grundsatz gilt: „Man muss kein Smartphone besitzen, um in Deutschland angeln gehen zu können“, muss auch die Möglichkeit einer analogen Datenerhebung mitgedacht werden. Für eine breite Akzeptanz und eine praxisgerechte Funktionalität sollte eine mögliche Umsetzung im Vorfeld unter Einbezug einer breiten Gruppe verschiedenster Interessenvertreter stattfinden. Ein solcher „partizipativer“ Ansatz hat sich bereits in anderen Projekten bewährt.
Die Chancen für die Zukunft der Angelfischerei in Deutschland sind enorm, aber die Herausforderungen sind sicher auch nicht zu unterschätzen.