Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Angelfischerverbandes e.V., Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., Landessportfischerverband Schleswig-Holstein e.V., Deutscher Meeresanglerverband e.V. und dem Boots-Angler-Club e.V..
Berlin, 05.06.2023. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat am 31. Mai 2023 seine Fangempfehlungen für den Dorsch[i] (Gadus morhua) in der Westlichen Ostsee (SDs 22-24) für das Jahr 2024 veröffentlicht.
Laut ICES weisen die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf hin, dass der Dorschbestand in der westlichen Ostsee sowohl unter reproduktionsbeeinträchtigenden Umweltfaktoren als auch unter den Folgen einer früheren Überfischung leidet. Hinzu kommt, dass selektive kommerzielle Fanggeräte, die den Beifang von kleinen Dorschen reduzieren könnten, noch nicht flächendeckend eingesetzt werden. Für Dorsch in der westlichen Ostsee hat der ICES im Rahmen des EU-Bewirtschaftungsplans eine Gesamtfangmenge von 24 t empfohlen. Das ist eine Reduktion um 97 % gegenüber der ICES-Empfehlung für 2023[ii] (Gesamtfangmenge entsprechend dem MAP FMSY = 943 t), welche die Grundlage für den Beschluss des „Rates Landwirtschaft und Fischerei“ über die zulässige Gesamtfangmenge (TAC) von 489 t in den Untergebieten 22-24 (westliche Ostsee) darstellte.
Angelfischerei und kommerzielle Fischerei - zwei unterschiedliche Herangehensweisen
Während ein Berufsfischer mit möglichst geringem Aufwand schnellstmöglich seinen erlaubten Fang, die sogenannte Quote, einfahren möchte, haben Angler eine andere Motivation. Mit dem so genannten „bag limit“ ist dem Angler eine tägliche maximale Entnahmemenge vorgegeben. Diese zu erreichen, ist jedoch nicht der primärere Antrieb an die Küste zu kommen oder auf die Ostsee hinauszufahren. Allein die Aussicht, bzw. die Hoffnung, einen erfolgreichen Angeltag zu erleben, treibt die Anglerinnen und Angler an. Die Höhe des bag limits muss also eher als eine maximal erreichbare Obergrenze des Anglers betrachtet werden – und nicht, wie in der beruflichen Fischerei, als alleinige Aufwands- und Entnahmeregulierung (Gundelund et al., 2022[iii]).
Die Wertschöpfung der Freizeitangler erkennen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der maritimen Freizeitfischerei belaufen sich auf insgesamt 10,5 Milliarden Euro und unterstützen fast 100.000 Arbeitsplätze in Europa (Hyder et al., 2017[iv]). Der größte Teil dieser Ausgaben entfällt auf Boote, Angelgeräte, Reisen und Übernachtungen. Für die deutschen Meeresangler ermittelte des Thünen-Institut Ausgaben von etwa 185 Millionen € pro Jahr (Daten aus 2014/2015). Das entspricht einer mittleren Ausgabe von 939 € pro Meeresangler und Jahr (Weltersbach et al., 2021)[v]. Deutsche Meeresanglerinnen und Meeresangler sind somit für den Tourismus in den deutschen Küstenregionen, speziell in der Nebensaison, eine unverzichtbare Einnahmequelle. Stellt man nun den ökonomischen Mehrwert, den die Angler erbringen, dem tatsächlichen Fangerfolg gegenüber, so wird sehr deutlich, dass allein die Möglichkeit einen Fisch zu fangen, die Freizeitangler zu wertvollen Touristen macht.
Seit 2016 gilt für das Angeln von Dorschen in der westlichen Ostsee erstmals ein bag limit. Damit ist die maximale Tagesentnahme für jeden Angler begrenzt. Im Jahr 2023 lag das Tagesfanglimit bei einem Fisch pro Angler und Angeltag. Die Wissenschaft hat jedoch nachgewiesen, dass ein gleichwertiger Schutz bei gleichzeitiger Zufriedenheit der Angler erreicht werden kann, wenn ein höheres bag limit mit alternativen Bewirtschaftungsmaßnahmen kombiniert wird: eine maximale Anlandegröße zum Schutz großer Superlaicher, welche von außerordentlicher Bedeutung für die Produktivität des Bestands sind (Barnett et al., 2017)[vi]; eine höhere Anlandegröße und Schonzeiten (saisonale Schließungen) (Haase et al., 2022)[vii].
Den organisierten Anglern in Europa ist bewusst, dass sie als Nutzer des Bestandes ihren Beitrag zur Erholung der Bestände leisten können.
Dies sind die Forderungen der Angelverbände für 2024:
- Die Angelmöglichkeit auf Dorsch und dessen Entnahme muss für Angler erhalten bleiben.
- Einführung einer Kombination von 4 Managementmaßnahmen, welche einen gleichwertigen Schutz bei höherer Anglerzufriedenheit gewährleistet:
- Erhöhung der Mindestanlandegröße
- Einführung einer Höchstanlandegröße - zum Schutz kapitaler Dorsche („Superlaicher")
- Keine gezielte Fischerei auf laichende Dorsch (Laichschonzeiten)
- bag limit
- Intensivierung des Trialogs zwischen den Interessengruppen, der Wissenschaft und der Politik
- Verbesserung und obligatorischer Einsatz von selektivem Fanggerät zur Verringerung des Beifangs von Dorsch in der kommerziellen Fischerei
- Untersuchung und Berücksichtigung der Auswirkungen der Kormoran-Prädation auf die Dorschbestände[viii],[ix]
Gemeinsame Position zur Fangempfehlung für den Westdorsch in der Ostsee 2024
EAA position on recreational fishing for Western Baltic cod in 2024
[i] ICES. 2023. Cod (Gadus morhua) in subdivisions 22-24, western Baltic stock (western Baltic Sea). In Report of the ICES Advisory Committee, 2023. ICES Advice 2023, cod.27.22-24. https//doi.org/10.17895/ices.advice.21820494
[ii] ICES. 2022. Cod (Gadus morhua) in subdivisions 22–24, western Baltic stock (western Baltic Sea). In Report of the ICES Advisory Committee, 2022. ICES Advice 2022, cod.27.22–24, https://doi.org/10.17895/ices.advice.19447868
[iii] Gundelund C, Arlinghaus R, Birdsong M, Flávio H & Skov C (2022). Investigating angler satisfaction: The relevance of catch,
motives and contextual conditions. Fisheries Research, 250, 106294.
[iv] Hyder K, Radford Z, Prellezo R, Weltersbach MS, Lewin WC, Zarauz L, Ferter K, Ruiz J, Townhill B, Mugerza E, Strehlow HV (2017). Research for PECH Committee - Marine recreational and semi-subsistence fishing - its value and its impact on fish stocks. IP/B/PECH/IC/2016-131. European Parliament, Policy Department for Structural and Cohesion Policies: Brussels. ISBN 978-92-846-1604-6. 136 pp.
[v] Weltersbach MS, Riepe C, Lewin W-C, Strehlow HV (2021) Ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen des Meeresangelns in Deutschland. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, 254 p, Thünen Rep 83, DOI:10.3220/REP1611578297000
[vi] Barnett LA, Branch TA, Ranasinghe RA, & Essington TE (2017). Old-growth fishes become scarce under fishing. Current Biology, 27(18), 2843-2848.
[vii] Haase K, Weltersbach MS, Lewin W-C, Zimmermann C, Strehlow HC (2022). Potential effects of management options on marine recreational fisheries – the example of the western Baltic cod fishery, ICES Journal of Marine Science, 79(3): 661–676, https://doi.org/10.1093/icesjms/fsac012
[viii] Jepsen N (2022) Cormorants and fish population – Documentations of effects. Public hearing on Cormorant problematic affecting EU fisheries and aquaculture, 11 May 2022. Available at: https://www.europarl.europa.eu/cmsdata/248202/01%20Niels%20Jepsen.pdf
[ix] Pietrock M, Sternberg N (2021). Analyse von Speiballen zur Ermittlung der Nahrungszusammensetzung von Kormoranen in den Gebieten Plöner Seen, Untertrave und Schlei. Bericht im Auftrag des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein. Institut für Binnenfischerei e. V. Potsdam-Sacrow, 90 pp