Ein Schmugglerring um den größten amerikanischen Aalhändler ist angeklagt, sowohl illegalen Export von Glasaalen von Europa nach China als auch illegalen Import von Aalfleisch in die USA organisiert zu haben.
Die Angeklagten aus New York, New Jersey und China werden des Schmuggels von Europäischen Aalen im Wert von mehreren Millionen Dollar beschuldigt. Die Abteilung für Umweltkriminalität des US-Justizministeriums hat eine Anklageschrift gegen den größten US-amerikanischen Aalhändler, American Eel Depot Cooperation und acht seiner Angestellten und Partner wegen Schmuggels und Verstößen gegen verschiedene Tierschutzgesetze veröffentlicht. Die Anklageschrift bezieht sich auf den Handel von großen Mengen Europäischer Aale (Anguilla anguilla).
Eines der größten Wildtierverbrechen
Die Wilderei und der Schmuggel von Europäischen Aalen gehört weltweit zu den größten Problemen im Wildtierhandel. Festzumachen ist diese Einschätzung an der Menge der gehandelten Tiere (bis zu 300 Millionen pro Jahr) als auch dem Wert der produzierten Aalfilets am Ende der illegalen Produktionskette (2-3 Milliarden EUR pro Jahr). Nachdem gegen die Wilderei und den Schmuggel von Amerikanischen Aalen hart vorgegangen wurde, haben Aalhändler, darunter auch die Angeklagten in diesem Fall, ihre Bemühungen auf Europäische Aale verlagert. Seit 2010 ist es illegal, Europäische Aale aus einem Land der Europäischen Union auszuführen. Der Europäische Aal ist außerdem durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) geschützt, welches in den Vereinigten Staaten durch das Gesetz über gefährdete Arten (Endangered Species Act) umgesetzt wird.
Schmuggler kontrollieren kompletten illegalen Warenkreislauf
Trotz dieses Verbots, so der Vorwurf in der Anklageschrift, schmuggelten die Angeklagten große Mengen von lebenden Glasaalen aus Europa in ihre Aalaufzuchtfabrik in China. Nach der Aufzucht der Glasaale bis zur Geschlechtsreife wurden die Aale geschlachtet und für den Versand in die Vereinigten Staaten verarbeitet, wo sie als Sushi verkauft wurden.
„Zum ersten Mal steht ein Schmugglerring vor Gericht, der den kompletten illegalen Warenkreislauf kontrolliert hat. Bisher ist man davon ausgegangen, dass die Glasaalschmuggler und die Aalfleischimporteure unabhängig voneinander operieren. Das hohe Organisationslevel ist besorgniserregend und ein weiteres Indiz dafür, dass der Kampf gegen die Aalschmuggler noch nicht beendet ist.“ so Florian Stein, Aalhandelsexperte des Deutschen Angelfischerverbandes (DAFV).
Handel mit illegalen Filets eher außerhalb Europas
Wissenschaftliche Untersuchungen zum illegalen Aalhandel weisen darauf hin, dass die Vermarktung von Europäischem Aal aus chinesischer Aquakultur innerhalb Europas aufgrund der konsequenten Strafverfolgung mittlerweile rückläufig ist. Auch, wenn beispielsweise an der Ostgrenze Europas gelegentlich Container mit Fleisch vom Europäischem Aal aus China auftauchen, hat die Beprobung in europäischen Asia-Läden ergeben, dass es sich bei weniger als einem Prozent der Proben um den Europäischen Aal gehandelt hat (Stein et al., 2021). Im Kontrast dazu hat eine Meta-Analyse von Studien, die außerhalb von Europa durchgeführt wurden, ergeben, dass mehr als die Hälfte der getesteten Produkte mutmaßlich auf illegalen Glasaalhandel zurückzuführen sind (Nijman & Stein, 2022).
Laut Anklageschrift haben die Beschuldigten über einen Zeitraum von vier Jahren etwa 138 Seecontainer mit Aalfleisch im Wert von über 160 Millionen Dollar in die Vereinigten Staaten importiert. Die Anklageschrift konzentriert sich auf sechs von der Regierung beschlagnahmten Container, bei denen festgestellt wurde, dass sie ganz oder größtenteils Europäischen Aal enthielten, der fälschlicherweise als Amerikanischer Aal etikettiert wurde, um eine Entdeckung durch die Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden. Laut Anklageschrift wussten die Beschuldigten, dass es sich um Europäischen Aal handelt und dass ihr Tun illegal war. Gegenüber den US-Behörden hatten sie falsche Angaben gemacht, um die Illegalität zu verschleiern und einer Entdeckung zu entgehen.
US-Behörden senden klare Botschaft an Wildtierschmuggler
"Dieser Fall zeigt, wie wirksam und wichtig der Endangered Species Act ist, um gegen den internationalen Handel mit geschützten Wildtieren vorzugehen", sagte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Todd Kim von der Abteilung Umwelt und natürliche Ressourcen des Justizministeriums. "Wir werden nicht zulassen, dass in den Vereinigten Staaten ansässige Unternehmen und ihre Führungskräfte und Mitarbeiter den systematischen Rückgang geschützter aquatischer Arten in der Welt verursachen - und davon profitieren.“
"Diese Untersuchung unterstreicht den globalen Handelsdruck, dem Süßwasseraale ausgesetzt sind, und die Verpflichtung mit unseren internationalen Partnern beim Schutz sowohl ausländischer als auch heimischer Arten geschlossen aufzutreten", sagte der stellvertretende Direktor Edward Grace vom U.S. Fish and Wildlife Service (USFWS). "Diese Anklage sendet eine klare Botschaft an Einzelpersonen und Unternehmen, dass die Ermittler unermüdlich nach Gerechtigkeit suchen werden, wenn sie unrechtmäßig Profit machen und Wildtiere im In- oder Ausland dezimieren."
Es drohen 20 Jahre Gefängnis and hohe Geldstrafen
Im Falle einer Verurteilung drohen jedem Angeklagten bis zu 20 Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 250.000 Dollar (für Einzelpersonen) bzw. 500.000 Dollar (für Unternehmen) oder das Doppelte des finanziellen Gewinns für den Angeklagten bzw. das Doppelte des finanziellen Verlusts für einen anderen, je nachdem, welcher Betrag höher ist.
Verbindungen des Schmugglerrings nach Kanada
Laut den Recherchen der kanadischen Tageszeitung La Presse stehen auch Beschlagnahmungen von Aalfleisch in Kanada in Verbindung mit der American Eel Depot Cooperation. Weiterhin wird in dem Artikel beschrieben, dass chinesische Einkäufer nach Kiew in die Ukraine gereist sind, um aus der EU heraus geschmuggelte Glasaale abzuholen. Der Erlös soll auf ein Konto in Kanada überwiesen worden sein. Bereits im März 2021 wurde der kanadische Importeur Pacific Gateway Holding Inc. zu einer Strafzahlung von $163,776 verurteilt.
Glasaalschmuggel bleibt Europas größtes Wildtierverbrechen
Auch in Europa bleibt der Glasaalschmuggel im Fadenkreuz der Ermittler. Im Juni 2022 veröffentlichte Europol die aktuellen Zahlen zur sechsten Auflage von „Operation LAKE“. Auf Grundlage des „EU-Aktionsplan gegen illegalen Wildtierhandel“ wurde 2016 die erfolgreich verlaufende Operation LAKE ins Leben gerufen. Die Anzahl der beteiligten Staaten aus Europa, Asien, Amerika und multinationaler Strafverfolgungsbehörden ist von 8 im Jahr 2017 auf 28 angestiegen (Stand Juni 2022). Der traurige Höhepunkt bezüglich der Menge an Beschlagnahmungen lebender Glasaale (etwa 5,8 Tonnen oder 17,4 Millionen Fische) und der Anzahl an Verhaftungen (154 Personen) wurde in der Schmuggelsaison 2017/2018 erreicht. Seitdem sind beide Zahlen rückläufig, wobei sich die Menge der beschlagnahmten Glasaale, vermutlich aufgrund der Wiederaufnahme des regulären Flugverkehrs nach Asien, im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2022 verdreifacht hat (siehe Abbildung 1).
„Mit dem Rückgang der Menge an Beschlagnahmungen und der Anzahl an Verhaftungen nach 2018 waren wir vorsichtig optimistisch, dass die Behörden den illegalen Export nachhaltig eingedämmt hatten. Der erneute Anstieg der Beschlagnahmungen könnte aber ein ernstzunehmender Hinweis darauf sein, dass Schmuggel aufgrund der hohen Gewinnmargen für die organisierte Kriminalität nach wie vor äußert attraktiv ist. Die Verhaftung eines Spaniers im Frühjahr hat gezeigt, dass Drogenhandel und Glasaalhandel aufgrund des hohen Warenwerts zumindest zum Teil von denselben Personenbetrieben werden. Ich möchte aber auch betonen, dass ich es sehr begrüße, dass die Bekämpfung des Aalschmuggels von Strafvollzugsbehörden in Europa und global seit 2016 auf der Prioritätenliste ganz weit oben steht“, so Aalhandelexperte Stein.
Quellenangabe
Europol (2022) https://www.europol.europa.eu/media-press/newsroom/news/49-individuals-across-europe-arrested-in-major-blow-to-eels-trafficking
US Department of Justice (2022) https://www.justice.gov/opa/pr/major-seafood-dealer-and-eight-individuals-indicted-international-wildlife-trafficking
Environment and Climate Change Canada (2021) https://www.canada.ca/en/environment-climate-change/services/environmental-enforcement/notifications/british-columbia-import-company-ordered-pay-fine-illegally-importing-european-eel-meat.html
LaPresse (2022) https://www.lapresse.ca/actualites/2022-06-04/contrebande-d-anguilles/l-appat-du-gain.php
Stein FM, Frankowski J, Nijman V, Absil C, Kranendonk I, Dekker W (2021). Chinese eel products in EU markets imply the effectiveness of trade regulations but expose fraudulent labelling. Marine Policy, 132, 104651, doi: 10.1016/j.marpol.2021.104651
Nijman V & Stein FM (2022). Meta-analyses of molecular seafood studies identify the global distribution of legal and illegal trade in CITES-regulated European eels. Current Research in Food Science, doi: 10.1016/j.crfs.2022.01.009