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Deutscher Angelfischerverband e.V. (DAFV) Logo

Dies ist eine gemeinschaftliche Erklärung folgender Verbände und Zusammenschlüsse

DAFV gemeintschaftliche Erklärung

Am 13.12.2022 hat der EU-Rat für Landwirtschaft und Fischerei eine Ausweitung der berufsfischereilichen Aalschonzeit von drei auf sechs Monate und ein Verbot der Freizeitfischerei auf Aal in Nord- und Ostsee beschlossen. Laut Verordnungstext gelten die Verbote für „Unionsgewässer, einschließlich Brackgewässer, wie Mündungsgewässer, Küstenlagunen und Übergangsgewässer“ (§13:1 Verordnung (EU) 2023/194). Außerhalb der Unionsgewässer haben jedoch weder EU noch die Bundesministerien Verfügungsgewalt, die Rechte liegen bei den Bundesländern. Eine Umsetzung oder Nicht-Umsetzung der Verbote liegt damit in der Hand der Länder. Laut einer Pressemitteilung[1] hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) den Vorschlag der EU-Kommission in schwierigen Verhandlungen unterstützt, während sich andere EU-Mitgliedsstaaten und im Vorfeld aus guten Gründen dagegen positioniert haben.

Die Kernpunkte der neuen Verordnung (EU) 2023/194, gültig ab dem 31.01.2023:
  • Ausweitung der Aalschonzeit in Nord- und Ostsee von drei auf sechs Monate
  • Ganzjähriges Verbot von Aal-Freizeitfischerei im marinen Bereich
Quelle: VERORDNUNG (EU) 2023/194 DES RATES vom 30. Januar 2023 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2023 für bestimmte Fischbestände in Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässern sowie zur Festsetzung solcher Fangmöglichkeiten für 2023 und 2024 für bestimmte Tiefseebestände. https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2023/194

Schon diese Entscheidungen hinterfragen wir kritisch. Dem wahren Grund für die Abnahme des Aalbestandes, dem Lebensraumverlust durch die Zerschneidung unserer Flüsse, wurde zum wiederholten Male so gut wie keine Rechnung getragen. Nicht passierbare Fließgewässer mit ihrer veränderten Hydrologie können ihre ökologischen Funktionen nicht mehr erfüllen. Für Aale sind die meisten der europäischen Flüsse als Aufstiegskorridor und Habitat bereits verloren (Anhang 1).

Das Missverhältnis zwischen geringer Energieerzeugung aus Wasserkraft und den dramatischen Umweltschäden findet sich mal wieder nur als Randnotiz. Die Abnahme des Aalbestandes steht wie kaum eine andere ökologische Folge für die negativen Effekte der Wasserkraft. Trotzdem hat das BMEL es versäumt, fundiert und konkret zu berichten, wie diesem Problem begegnet werden soll.

Die Grenzen für das Aalfangverbot in den Küstenbundesländern
(Informationsstand 09.02.2023, gültig ab dem 31.01.2023)

Bundesland

Gewässer/Gebiet   

Definition

Niedersachsen

Elbe

unterhalb der Landesgrenze gegen Hamburg

 

Oste

unterhalb der nördlichen Grenzen der Feldmark Oberndorf

 

Weser

unterhalb der Landesgrenze gegen Bremen, (Grenze der Stadt Bremen)

 

Hunte

unterhalb der Verbindungslinie der Deichscharten bei Huntebrück

 

Ems

unterhalb der Papenburger Schleuse

 

Leda

unterhalb des Sperrwerks

Mecklenburg-Vorpommern  

alle Gewässer

Küstengewässer, die laut FlaggenrechtsVO zu den Unionsgewässern zählen

Schleswig-Holstein

Unterelbe

binnenseitig der Verbindungslinie zwischen der Kugelbake bei Döse und der westlichen Kante des Deichs des Friedrichskoogs

 

Untereider

binnenseitig des Eidersperrwerks

 

Schlei

binnenseitig der Verbindungslinie der Molenköpfe Schleimünde

 

Trave

binnenseitig der Verbindungslinie der Molenköpfe

Hamburg

alle Gewässer

nicht vom Aal-Fangverbot betroffen

Bremen

Bremerhaven

Küstengewässer und Brackwasserzone

*Alle Angaben ohne Gewähr

Für die Abgrenzung der Unionsgewässer von nationalen Hoheitsgewässern, gelten in Deutschland die Grenzen des Seefischereigesetzes, welche in §1a der Flaggenrechtsverordnung definiert sind:

  1. die Festland- und Inselküstenlinie bei mittlerem Hochwasser,
  2. die seewärtige Begrenzung der Binnenwasserstraßen,
  3. bei an der Küste gelegenen Häfen die Verbindungslinie der Molenköpfe und
  4. bei Mündungen von Flüssen, die keine Binnenwasserstraßen sind, die Verbindungslinie der äußeren Uferausläufe.

Für Mecklenburg-Vorpommern und Bremen haben wir keine genaueren Informationen von den zuständigen Behörden erhalten.Abweichend zu den Grenzen des Seefischereigesetzes können die Landesbehörden weitere Zugeständnisse machen.

Symbolische Maßnahmen ohne Wirkung 

Mit der Verlängerung der Aalschonzeit wird eine Managementmaßnahme ausgeweitet (sechs Monate Schonzeit), bevor die Wirkung und die Effekte der bisherigen Managementmaßnahme (drei Monate Schonzeit) quantifiziert und überprüft wurden (Stichworte: Risikoanalyse und Verträglichkeitsprüfung). Weiterhin ist vollkommen unklar, welchen Effekt das Verbot der Freizeitfischerei auf den Aalbestand hat. Da kaum eine erwähnenswerte Freizeitfischerei auf Aal im Meer stattfindet, geschweige denn abwandernde Blankaale sich noch mit der Angel fangen lassen, sind die Effekte gering.

„Noch im September 2022 hat sich das BMEL kritisch gegenüber pauschalen Aal-Fangverboten und klar für einen ganzheitlichen Ansatz ausgesprochen. Die innerhalb weniger Wochen vollzogene Kehrtwende des Ministeriums ist für uns weder nachvollziehbar noch aus Sicht der meisten Fischerei-Experten in Deutschland wissenschaftlich gerechtfertigt. Wir sind sehr überrascht, dass der Einfluss von Ideologie auf die Entscheidungsfindung des Ministeriums anscheinend sehr viel größer ist, als wir bisher angenommen haben.“ Klaus-Dieter Mau, Präsident Deutscher Angelfischerverband e.V.

Warum wurde dann jegliche Freizeitfischerei auf Aal im Meer verboten? Ist es denkbar, dass ein öffentlichkeitswirksamer Entschluss gefasst wurde, der Zustimmung von Unwissenden bringt, die simple Lösungen für komplexe Probleme bevorzugen? Der Logikschluss: Es gibt weniger Aal, also darf man ihn nicht mehr fangen, egal wer, wann oder wo. Dass zumindest dieses Verbot dem Aal nicht viel bringt, erscheint zweitrangig – das Symbol zählt. Dem vermeintlich unbedeutenden kleinen Angler gegenüber hat man Stärke gezeigt – zu Gunsten des Naturschutzes. Die wahren, großen Probleme bleiben jedoch unangetastet. Wasserkraft ist unangenehmer und schwieriger zu greifen als Angler. Dabei werden gerade von Meeresanglern Fische vor allem für die Selbstversorgung gefangen, welcher gerade heutzutage wieder eine größere Rolle zukommt und die eigentlich politisch gewollt ist (Anhang 2). Nochmal: Durch die wenigen Aale, die im Meer von Anglern gefangen und der Selbstversorgung zugeführt werden, wird der Bestand nicht im Mindesten gefährdet. Dass diese Möglichkeit uns nun genommen wird, ist nicht logisch nachvollziehbar. Sinnvolle bestandsschützende Maßnahmen, auch mit einer gewissen Einschränkung der Fangmöglichkeiten für Angler, unterstützen wir gern, doch die hier getroffene Entscheidung erscheint willkürlich.

Aus unserer Sicht versucht das BMEL mit dem Zusatz „einschließlich Brackgewässer“, in denen die Schonzeit beziehungsweise das Angelverbot ebenfalls gelten soll, zudem seine Befugnisse zu überschreiten. In Meeresarmen wie zum Beispiel den Bodden oder in Mündungsbereichen von Flüssen gilt in weiten Teilen nicht Gemeinschafts-EU-, sondern Landesrecht.

Mit den getroffenen Entscheidungen ist es jedoch nicht getan. Ohne, dass es notwendig gewesen wäre, hat Deutschland beim Treffen der Fischereiminister eine gemeinsame Erklärung (Joint Declaration) unterzeichnet. In dieser Zusatzvereinbarung verpflichten sich die Unterzeichner zu weiteren, zusätzlichen Maßnahmen. Herauszuheben ist an dieser Stelle, dass Deutschland das einzige Land in der Gruppe der Unterzeichner ist, dass im Kerngebiet des natürlichen Verbreitungsgebiets des Europäischen Aals liegt und in dem Aalfang eine Rolle spielt. Alle anderen Länder in denen Aalfang von kultureller und ökonomischer Bedeutung ist, haben diese Erklärung NICHT unterzeichnet.

Risiken für Besatz und Freizeitfischerei im Binnenland

Für die Freizeitfischerei und die Fortführung des Aalbesatzes sind besonders die Punkte 5 und 6 der Gemeinsamen Erklärung relevant:

5) Erreichen die nationalen Aalbewirtschaftungspläne ihre eigenen Ziele in Bezug auf die fischereiliche Sterblichkeit und die Abwanderung der Biomasse nicht, so wenden die betreffenden Mitgliedstaaten so bald wie möglich ihre internen Aalfischereimaßnahmen mit gleicher Wirkung an, wie sie in der Verordnung über die Fangmöglichkeiten vereinbart wurden.

6) Die genannten Mitgliedstaaten werden die derzeitigen Verfahren zur Bestandsaufstockung überprüfen, um sicherzustellen, dass öffentliche Mittel eingesetzt werden, um die tatsächlichen Erhaltungsmaßnahmen zu unterstützen, die zur Erholung des Aalbestands beitragen.

Quelle: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5374-2023-ADD-1-REV-1/de/pdf

Das klingt zunächst sehr abstrakt, doch sollte Deutschland (das BMEL und seine beratenden Wissenschaftler) zu dem Schluss kommen, dass „die eigenen Ziele“ der Aalmanagementpläne verfehlt wurden, könnten Fangverbote im Süßwasser folgen. Ebenso ist es bei entsprechender wissenschaftlicher Einordnung der bisherigen Besatzpraktik denkbar, dass der Besatz durch Angler und Fischer verboten wird.

Das Problem bei der Beurteilung der Ziele und Maßnahmen besteht darin, dass lediglich eine von vielen wissenschaftlichen Sichtweisen berücksichtigt wird. Gerade beim Aal weiß die Wissenschaft nach wie vor zu wenig, um viele der Managementmaßnahmen wie Besatz und Fangverbot in ihrer Wirkung zu bewerten. Innerhalb der Aalforschung gibt es daher sehr unterschiedliche Standpunkte, aber das Ministerium scheint momentan ausschließlich einer Sichtweise zu folgen.

Diese beinhaltet, vereinfacht ausgedrückt, die Ablehnung von Aalbesatz und der weiteren fischereilichen Nutzung des Aals. Die verantwortlichen Wissenschaftler glauben, dass dies für den Aal der Weg zur Rettung sei, Kollateralschäden und andere verträglichere und unter Umständen effektivere Wege zum gleichen Ziel werden nicht in Betracht gezogen, obwohl diese in der EU-Aalverordnung klar definiert sind (Anhang 3). Dass es andere Wege als Nullnutzung und Besatzstopp gibt, zeigen die Vergangenheit sowie aktuelle Untersuchungsergebnisse anderer Wissenschaftler.

Wissenschaftliche Fakten werden ignoriert 

Der drastische Negativ-trend beim Aal wurde seit 2011 gestoppt. Die Zahlen der ankommenden Glas-aale haben sich stabilisiert. Das Niveau ist nach wie vor niedrig, doch bei mehr als einer Milliarde Glasaale, die jährlich in französischen und spanischen Flüssen ankommen, ist es absolut irreführend, von der Gefahr des Aussterbens zu sprechen (Anhang 4). Schaut man sich den historischen Bestandsrückgang an, fällt dieser auffällig mit dem europaweiten Verlust von Lebensraum im Zuge der Industrialisierung zusammen. Die fischereiliche Sterblichkeit hingegen, zumal durch Freizeitfischerei, kann nur einen sehr viel kleineren Einfluss auf den Bestand haben (Anhang 1). Es ist daher eher eine ideologische Frage von persönlichen Überzeugungen und Abneigungen, ob man die Freizeitfischerei auf Aal weiter zulassen möchte. Mit wissenschaftlicher Objektivität hat eine solche moralische Sichtweise nichts zu tun.

„Seit Jahrzehnten setzt sich der Angelfischerverband im Landesfischereiverband Weser-Ems e.V. zusammen mit seinen Mitgliedsvereinen für den Schutz, Erhalt und die Förderung des Aals ein. Enorme finanzielle private Mittel wurden aufgewendet, um Besatzmaßnahmen und Projekte zur Verbesserung der aquatischen Lebensräume durchzuführen. Jetzt diejenigen an den Pranger zu stellen und zu bestrafen, die sich maßgeblich für den Aal eingesetzt haben empfinden wir als unverhältnismäßig und aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar.“ Heinz Gräßner, Präsident Angelfischerverband im Landesfischereiverband Weser-Ems e.V.

Der DAFV und seine angeschlossenen Landesverbände unterstützen indes den Schutz des Aals. Wenn zum Beispiel sinnvolle Maßnahmen zum Aalschutz an den im Einzugsgebiet gelegenen Wasserkraftwerken umgesetzt werden, unterstützen wir auch freizeitfischereiliche Einschnitte zum Schutz des Aals. Dies können bag-limits, erhöhte Mindestmaße, Küchenfenster, Schonzeiten oder ähnliches sein (Anhang 3 (2)). Wir stehen jedoch nicht dafür zur Verfügung, den Sündenbock für die großen Versäumnisse im Artenschutz zu spielen.

Aalbesatz

Aalbesatz als Maßnahme zur Bestandserholung wird spätestens seit Einführung der EU-Aalverordnung im Jahr 2007 kontrovers diskutiert – ist aber in der Verordnung als legitime Maßnahme manifestiert. Als ein Hauptargument gegen Besatz wird häufig die hohe Mortalität während des Glasaalfangs angeführt. Allerdings konnte mit einer neuen Studie nachgewiesen werden, dass diese in den letzten Jahren aufgrund der Verbesserungsmaßnahmen von durchschnittlich 42 Prozent auf 7,2 Prozent gesunken ist (Anhang 5). Ohne Aalbesatz gäbe es aufgrund der massiven Verbauung kaum noch Aale in unseren Gewässern. Das haben viele Untersuchungen gezeigt. Der Aal erfüllt wichtige ökologische Funktionen als Futterquelle für andere Fische und Säugetiere aber auch als Prädator, wie zum Beispiel bei der Kontrolle von invasiven Arten im Lückensystem vom Steinpackungen. Anglerfänge dienen der direkten Selbstversorgung, Verbände und Behörden haben Einkünfte durch Entgelte,

Natürlich ist es richtig, gängige Praktiken von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand zu stellen – so auch den Aalbesatz. Doch sobald eine nicht mit wissenschaftlichen Fakten untermauerte, grundlegende Ablehnung dieser Prüfung zugrunde liegt, müssen wir protestieren. Die Vermutung liegt nahe, dass das BMEL seinen wissenschaftlichen Beratern in dieser Frage ebenfalls sämtliche Deutungshoheit zuspricht. Aber bei der Bewertung von Aalbesatz dürfen anders lautende, wissenschaftlich basierte Schlussfolgerungen nicht außer Acht gelassen werden!

Offensichtlich siegte diesmal die Ideologie des grünen Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft über wissenschaftliche Fakten. Für uns Angler ist das eine nicht hinnehmbare Diskriminierung unserer Naturschutz- und Besatzmaßnahmen. Wir appellieren an alle Anglerverbände und -vereine, ihren Protest zu dieser Entscheidung öffentlich kundzutun. Nehmt eure demokratischen Grundrechte wahr und wartet nicht, bis Verbote eintreten." Bernd Dickau, Präsident Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Fazit

Wenn nicht die wahren Gründe für den Zustand des Aalbestandes erkannt und benannt werden und mit Nachdruck an Lösungen gearbeitet wird, ist eine Erholung des Aalbestandes nicht möglich. Ein Verbot der Freizeitfischerei ändert nichts am Zustand des Aalbestandes, ein Verbot von Besatz ändert nichts zum Positiven, negative Folgen sind absehbar.

Die Angelverbände und der Großteil der Anglerschaft in Deutschland haben Verständnis für Maßnahmen zur Unterstützung des Aalbestandes und investieren dafür seit Jahrzehnten privates Kapital. Unsinnige Verbote lehnen wir aus Überzeugung ab. Das Interesse an dieser Fischart hängt eng mit der (oft nicht genutzten) Option einer Nutzung zusammen. Schutz und Nutzen hängen beim Aal zusammen und widersprechen einander nicht.

„Wir betrachten die aktuellen Entwicklungen im Management der europäischen Aalbestände mit großer Sorge. Insbesondere der Gedanke, unsere Binnengewässer mit ihrem enormen bestand-stützenden Potenzial als natürliche Aufwuchsgewässer für laichfähige Blankaale aufzugeben, ist überaus fahrlässig und gefährlich. Die Folgen für die künftige Entwicklung der Aalbestände insgesamt sind kaum abschätzbar, bergen aber die Gefahr, dem europäischen Aal den Todesstoß zu versetzen.“ Horst Kröber, Vorsitzender Landesfischereiverband Westfalen und Lippe e.V.

Wir Angler sind an vitalen Fischbeständen interessiert. Wir unterstützen und schützen, wo es nötig ist. Wir erheben die Stimme gegen die „kleine Wasserkraft“ und sorgen für Aufmerksamkeit beim Schutz von Fischen an größeren Wasserkraftanlagen. Wir sind Augen und Ohren an den Gewässern. Wir erkennen, wenn sich eine Verschlechterung anbahnt. Will man uns als Interessenvertreter des Aals nicht verlieren, muss eine Nutzungsoption erhalten bleiben.

Ein Ende der Besatzmaßnahmen in Deutschland, insbesondere in den angestammten Aufwuchshabitaten, welche durch Wanderhindernisse und Wasserkraftanlagen keinen oder nur einen erschwerten natürlichen Auf- und Abstieg für den Aal ermöglichen, kommt einer Bankrotterklärung für den Fischartenschutz in Deutschland gleich (Anhang 5). Da der Lebensraum aufgrund wirtschaftlicher Interessen für den Aal zerstört wurde, werden die Aale nun aus dem Lebensraum entfernt, anstatt die Lebensräume wiederherzustellen! Das Gutachten des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) für den Aal spricht seit vielen Jahren ausdrücklich davon, alle negativen anthropogenen Einflüsse zu reduzieren. Den Anglerinnen und Anglern wurde mantra-artig zugesagt, dass die vielen negativen Einflussfaktoren, insbesondere die 7400 kleinen Wasserkraftanlagen und die unkontrollierte Prädation durch überschützte Kormoranbestände (Anhang 3 (6)), welche es in den letzten 1200 Jahren so nicht in Europa gab[1], in Angriff zu nehmen – leider ist in beiden Bereichen effektiv so gut wie nichts passiert, und uns fehlt inzwischen der Glaube, dass hier in Zukunft ernste Anstrengungen unternommen werden. Zu eng erscheinen die Interessenkonflikte und möglicherweise persönlichen Interessen einzelner Akteure im Politikbetrieb mit dem Unwillen zu handeln, verknüpft.

„Man muss das Problem beim Schopfe packen und etwas gegen die illegale Fischerei sowie gegen die Undurchlässigkeit der Gewässer tun. Solange diese Probleme nicht gelöst werden, werden wir hier auch keine Erfolge sehen.“ Marco Montieri, Präsident Deutschen Meeresanglerverband e.V.

Jörn Geßner, Forschungsgruppenleiter in der Abteilung Biologie der Fische, Fischerei und Aquakultur am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin hat in einem Spiegel-Interview nach der Oder-Katastrophe aufgerufen: „Wir sollten die Schiffe den Flüssen anpassen und nicht umgekehrt“. Wenn die angestammten Bewohner unserer Flüsse verschwunden sind, wird es auch keine Motivation mehr geben, Wasserkraftanlagen und Wanderhindernisse zu entfernen bzw. mit Fischschutzmaßnahmen nachzurüsten.

Die fischereiliche Sterblichkeit war und ist nachweislich nicht das Problem für den dramatischen Rückgang der Aalbestände. Aber es ist, wie so oft, die einfachste und einzige Maßnahme, die jetzt zum Schutz der Bestände ergriffen wird. Immer mit der unverbindlichen Absichtsbekundung, dass in Zukunft auch andere negative Einflussfaktoren angegangen werden.

„Leider wird ein für die Fische unwirksames, jedoch in der Öffentlichkeit verfangendes Mittel angewandt - Fangverbote. Mit einer konsequenten Umsetzung der WRRL könnte man wirklich etwas für die Aale tun. Wenn wir Querverbauungen und Kühlwasserentnahme ohne funktionellen Fischschutz nicht beseitigen, gefährden wir massiv alle Wanderfischarten und unsere gerade noch lebendigen Flüsse. Hier muss unsere Regierung den Hebel ansetzen, anstatt diejenigen mit Verboten zu überziehen, die das ehrlichste Interesse an dem Erhalt aller Fischbestände haben und dafür täglich arbeiten!“ Peter Heldt, Präsident Landessportfischereiverband Schleswig-Holstein e.V.

Wir Angler fragen: Wann und wie wird das Problem der Wasserkraft und die Prädation durch eine Vogelart gelöst, welche alle Kriterien einer invasiven Art erfüllt (Anhang 3, Punkt 6)? Wir haben bei der parlamentarischen Abstimmung zum „Osterpaket“ erlebt[2], wieviel solche Absichtsbekundungen Wert sind. Und wir haben bei der Ausweisung der Naturschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Ostsee erlebt[3], dass ab dem ersten Tag das Angeln verboten wurde, die grundberührende Schleppnetzfischerei sowie weitere, wesentlich störendere Nutzung in den „Naturschutzgebieten“ weiterhin stattfinden darf.

Wir fordern, insbesondere in den Flüssen wieder die Lebensraumbedingungen für die angestammte Fauna und Flora herzustellen. Auf Grundlage der wissenschaftlich umstrittenen Einzelmeinung eines Institutes weite Teile der natürlichen Lebensräume in Deutschland aufzugeben, gleicht einer Operation am offenen Herzen und ist eine riskante Wette mit womöglich unumkehrbaren negativen Folgen in der Zukunft.

„Eine eindimensionale Maßnahme, wie das Fangverbot, war noch nie eine gute Idee, um komplexe Probleme zu lösen. Es ist erschreckend, dass Angler immer als erstes für ineffektive Symbolpolitik herhalten müssen. In Hessen sind wir aber auf einem guten Weg das generelles Fangverbot abzuwenden und Besatzmaßnahmen zum Bestandsschutz aufrecht zu erhalten.“ Adrian Zentgraf, Geschäftsführer Verband Hessischer Fischer e.V.

Die Angler in Deutschland werden sich einem ganzheitlichen Beitrag zum Schutz der Aalbestände ganz nicht verwehren. Ernste, verlässliche Anzeichen für die Wiederherstellung der Lebensräume und Lebens­raumbedingungen für den Aal in Deutschland sind hier mehr als willkommen und können einen Beitrag der Angler sowohl zur Wiederherstellung als auch für Nutzungseinschränkungen enthalten. Ein einseitiges Angel- bzw. Fischereiverbot und die damit verbundene Zerstörung der etablierten Besatzmaßnahmen zum Erhalt der Aalbestände sind aber abzulehnen. Eine Überprüfung der Managementpläne ist vollkommen in unserem Sinne. Das funktioniert aber nur, wenn wir Angler in einen aktiven Dialog mit den Behörden einbezogen werden!

Im Vorfeld der Verhandlungen der EU-Fischereiminister hatte die Parlamentarische Staatssekretärin Ophelia Nick zu einem Beratungsgespräch geladen. Der Großteil der anwesenden Verbände, Fischereibehörden und Wissen­schaftler sprach sich gegen den Vorschlag der EU-Kommission aus. Folglich ist es aus Sicht der Freizeit­fischerverbände unverständlich, dass das BMEL den Vorschlag der Kommission unterstützt hat. Uns erschließt sich nicht, warum das Ministerium diesen drastischen Sinneswandel, verbunden mit einer Nicht-Berücksichtigung der überwiegenden Interessen im Land, vollzogen hat.

Das „Chaos“ und die Verwunderung vieler Teilnehmer in dem „Abstimmungsgespräch“ wenige Tage vor den Ratsverhandlungen wirken leider unprofessionell. Die Vorgehensweise erweckt darüber hinaus nicht den Eindruck einer ernsthaften Absicht für eine gleichberechtigte Verbändebeteiligung im Vorfeld der Verhandlungen. Das Wort „Beteiligung“ enthält den Begriff „teilen“, da hilft es nicht, wenn man seine Meinung formell äußern darf, aber keine Argumente und wissenschaftlichen Erkenntnisse später in den Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.

Dazu mussten wir mit Erschrecken feststellen, dass Deutschland anscheinend mit einer völlig unabgestimmten und in keiner Weise im Vorfeld erwähnten „Joint Declaration“ von den Verhandlungen aus Brüssel zurückgekehrt ist.

Forderungen

Wir fordern bei der Erfüllung der gemeinsamen Erklärung eine Berücksichtigung des aktuellen Wissenstandes der gesamten Wissenschaft, die sich der Erforschung des Aals und seines Managements widmet. Wir fordern eine zukünftige Mitsprache von Anglern bei allen weiterreichenden Veränderungen des Aalmanagements. Wir bieten den zuständigen Landesbehörden, welche die leichtfertig gemachten Zusagen des BMEL umsetzen sollen, an, dass wir sie mit unserem Fachwissen unterstützen. Mit enger Zusammenarbeit und fundiertem Hintergrundwissen über fischereiliche und soziale Aspekte der Freizeitfischerei und des Aalbesatzes lassen sich möglicherweise negative Konsequenzen aus dieser gemeinschaftlichen Erklärung vermeiden.

pdfDAFV Stellungnahme zum Aalmanagement vom 02.09.2023 als PDF-Download

[1] Beike M, Herrmann C, Kinzelbach R & de Rijk J (2013): The Great Cormorant Phalacrocorax carbo sinensis in the German-speaking area and in The Netherlands between 800 and 1800. Vogelwelt 134: 233–261.

[2] https://dafv.de/referate/gewaesser-und-naturschutz/item/555-osterpaket-mit-faulen-eiern-bundesrat-beschliesst-im-blindflug-das-ende-der-biodiversitaet-in-deutschlands-fluessen

[3] https://dafv.de/referate/meeresangeln/item/121-angelverbot-in-awz-unsinnige-verbotspolitik-erweist-meeresschutz-einen-baerendienst

[1] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/174-fischereirat.html

Ergänzender Anhang zur Position des DAFV

1. Habitat-Reduktion als wesentlicher Faktor für den Bestandsrückgang

Eine Studie aus der Fachzeitschrift Global Change Biology[1] beziffert den menschengemachten Aal-habitat-Verlust durch Querverbauung und Wasserkraftanlagen im Nordsee- und Ostseeraum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit 71 Prozent und schlussfolgert, dass die Habitat-Reduktion einen sehr viel größeren Einfluss auf den Bestandsrückgang gehabt haben muss als die Fischerei. Die Einstellung der Fischerei kann deshalb lediglich zu einem kleinen Teil zur Bestandserholung beitragen, da diese Maßnahme den andauernden Habitat-Verlust nicht kompensieren kann. Wissenschaftliche Studien aus dem Journal of Applied Ecology[2] und Nature[3] zeigen eindrucksvoll den europaweiten Habitatverlust durch Querverbauung. Wo kein Lebensraum vorhanden ist, können auch keine Laichtiere heranwachsen, die zur Bestandserholung beitragen. Einfache Maßnahmen führen selten zur Lösung komplexer Probleme. Ein Fangverbot wird den historischen Bestandszustand nicht wiederherstellen.

2. Die sozioökonomischen Folgen eines Aalfangverbots für strukturschwache Küstengebiete in Dänemark, Schweden und Deutschland und stehen im Widerspruch zu den Nachhaltigkeitszielen von Green Deal und Blue Economy

Ein Kernelement des europäischen Green Deal ist die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ mit dem Ziel, gesündere und nachhaltigere Lebensmittel für Europa zu gewährleisten[4]. Die Freizeitfischerei sowie die kleinskalige Fischerei an Küste und im Binnenland erfüllt hierfür alle Kriterien, wie beispielsweise die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks, bessere Resilienz gegen Krisen, Gewährleistung von gesunden und erschwinglichen Lebensmitteln für künftige Generationen, kurze Versorgungsketten zur Vorbeugung von Lebensmittelbetrug und die Verringerung von Lebensmittelverschwendung.

Eines der drei Hauptziele der „Nachhaltigen Blauen Wirtschaft“ (Sustainable Blue Economy) ist die Entwicklung einer grünen Infrastruktur in den Küstengebieten, welche dazu beitragen soll, die Landschaft und die biologische Vielfalt zu erhalten und gleichzeitig dem Tourismus und der Küstenwirtschaft zugutekommen soll[5].

Ein Ende des Aalfangs steht im starken Kontrast zu beiden europäischen Strategien und den spezifischen Zielen des deutschen Programms für den Europäischen Meeres-, Fischerei,- und Aquakulturfonds (EMFAF): Förderung der nachhaltigen Fischerei, Verarbeitung und Vermarktung von Erzeugnissen der Fischerei und damit Beitrag zur Ernährungssicherheit; Ermöglichung einer nachhaltigen blauen Wirtschaft in Küsten-, Insel- und Binnengebieten und Förderung der Entwicklung von Fischereigemeinschaften[6].

3. Die EU-Aalverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1100/2007) ist seit 15 Jahren das bindende Instrument für das Aalmanagement in Europa. Neben Besatz sind in ihr sieben weitere Maßnahmen für die Bestandserhöhung definiert, die in sehr unterschiedlichem Maße angewendet werden

In Artikel 2 (8) der Verordnung (EG) Nr. 1100/2007 heißt es: „Aalbewirtschaftungspläne können unter anderem folgende Maßnahmen umfassen: (1) Reduzierung der kommerziellen Fangtätigkeit; (2) Einschränkung der Sportfischerei; (3) Besatzmaßnahmen; (4) strukturelle Maßnahmen zur Sicherung der Durchgängigkeit von Flüssen und zur Verbesserung ihrer Lebensräume, gekoppelt mit anderen Umweltmaßnahmen; (5) Verbringung von Blankaalen aus Binnengewässern in Gewässer, aus denen sie ungehindert in die Sargassosee abwandern können; (6) Maßnahmen gegen Raubtiere; (7) befristete Abschaltung von Wasserkraftwerksturbinen; (8) Maßnahmen in Bezug auf Aquakultur.

Zu (1) Die Aalfischerei an der deutschen Küste ist seit Einführung der EU-Aalverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1100/2007) im Jahr 2007 bereits stark zurück gegangen[7], während in anderen Regionen Europas kaum auf abwandernde Blankaale in Küstengewässern gefischt oder geangelt wird. An der Küste von Mecklenburg-Vorpommern hat die Anzahl der Haupterwerbsbetriebe zwischen 2007 und 2021 bereits um 52 Prozent abgenommen und ist von 384 auf 184 gesunken[8]. Die Ausweitung der Schonzeit würde in Deutschland vermutlich das Ende der (Aal-) Fischerei in den Küstenregionen von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bedeuten und somit zum Verlust soziökonomischer Wertschöpfung und der der Küstenfischerei zugeschriebenen kulturhistorischen Bedeutung führen. Gleichzeitig belegen zwei aktuell erschienene wissenschaftliche Studien unabhängig voneinander, dass sich der Aalbestand im Küstenbereich Mecklenburg-Vorpommerns innerhalb der letzten Jahre positiv entwickelt hat[9],[10]

Zu (2) Wir Angler sind durchaus dazu bereit weitere Einschränkungen zum Schutz des Aalbestands zu akzeptieren, sobald deren Effekt wissenschaftlich plausibel und nachvollziehbar ist. Vielerorts haben sich Angler bereits eine Selbstbeschränkung auferlegt und weitere Managementmaßnahmen wie bag-limit oder die Veränderung des Mindestmaßes bzw. die Einführung eines Fangfensters sind für uns, wenn wissenschaftlich plausibel, durchaus akzeptabel.

Zu (3) Bereits seit Jahrzehnten setzen sich Fischereiverbände mit ihren Mitgliedsvereinen für den Schutz, Erhalt und die Förderung des Aals ein. Erhebliche finanzielle private Mittel wurden und werden aufgewendet, um Besatzmaßnahmen durchzuführen. So werden beispielsweise durch den Zusammenschluss der niedersächsischen Vereine im Einzugsbereich der Ems seit 1985 jährlich 1 DM bzw. 1€ pro Mitglied für die Förderung des Aals aufgewendet. Dies bedeutet aktuell eine Summe von jährlich etwa 20.000€. Dies spiegelt jedoch nur ein Beispiel von vielen wider. Siehe auch Anhang 5.

Zu (4) Europaweit sind es vor allem die organisierten Angler, die sich für die Durchgängigkeit von Gewässern einsetzen, und die durch viele Tausend ehrenamtliche Arbeitsstunden und private Investitionen Gewässer renaturieren und somit geeignetes Aalhabitat wiederherstellen[11].

Zu (5) An Mosel und Weser[12] und anderen Ländern Europas laufen erfolgreiche „Aal-Taxi“ Maßnahmen, welche dazu dienen, dass Blankaale trotz Wanderhindernissen aus dem Binnenland abwandern können.

Zu (6) Eine Studie am Ringkøbing Fjord in Dänemark hat eindrucksvoll nachgewiesen, dass die Sterblichkeit von markierten Aalen durch Kormorane in den Studienjahren 2003, 2004 bei 40-50% lag.[13] Angler, Fischer und Teichwirte betreiben aktiven Fischartenschutz an den Stellen, an denen der Druck aufgrund unnatürlich hoher Prädatorenbestände besonders groß ist[14].

Zu (7) Befristete Abschaltung von Wasserkraftwerken wird leider auch 15 Jahre nach Einführung der EU-Aalverordnung nur vereinzelt auf Pilot-Ebene[15] betrieben. Aus unserer Sicht wäre mit einem wissenschaftsbasierten Turbinenmanagement[16] die größtmögliche Schutzwirkung für den Europäischen Aal und andere, aquatische Organismen zu erreichen.

Zu (8) Die mittelfristige Stützung des Aalbestands durch das Aussetzen von in Aquakultur vermehrten Aalen ist aus unserer Sicht nicht realistisch. Selbst in der Forschung am japanischen Aal, die der Forschung am Europäischen Aal um Jahrzehnte voraus ist, ist eine massenhafte Reproduktion bisher nicht möglich. Hinzu kommen Fragen der Biosicherheit und verhaltensbiologische Risiken, die den Reproduktionsbeitrag von in Gefangenschaft herangewachsenen Tieren als äußert fraglich erscheinen lassen.

4. Bestandsbewertung des ICES und Klassifizierung des IUCN 

Der ICES hat in seinen jährlichen Fangempfehlungen mehrfach anerkannt, dass der Bestandsrückgang 2011 gestoppt wurde und seitdem auf niedrigem Level schwankt[17]. Vier Jahre nach Einführung zeigte die EU-Aalverordnung bereits positive Wirkung – was die realistischen Erwartungen von Dekker & Aström (2007)[18] weit übertraf. Laut Aal-Experte Willem Dekker ist das Ziel der kompletten Bestandserholung (full recovery), selbst unter Idealbedingungen aufgrund der langen Lebenszyklen der Aale eine Frage von vielen Jahrzehnten (persönliche Mitteilung).

Das Bewertungsverfahren des IUCN fokussiert sehr stark auf die Dynamik der Bestandsentwicklung und vernachlässigt dabei die gegenwärtige Abundanz (Häufigkeit). Wissenschaftler aus der ICES Arbeitsgruppe Aal (WGEEL) haben für das Jahr 2015 ein jährliches Glasaalaufkommen von über einer Milliarde Glasaale modelliert[19]. Aus Sicht des DAFV steht allein diese Zahl im starken Kontrast zu der Einschätzung des IUCN, dass die Art kurz davorsteht, auszusterben. Zusätzlich liefert auch die innerartliche genetische Diversität des Europäischen Aals keine Hinweise darauf, dass die Art vom Aussterben bedroht ist[20]. Ganz im Gegenteil, die überraschend hohe genetische Diversität, etwa 14-mal so hoch wie beim Menschen[21] und eine enorm hohe effektive Populationsgröße[22] sprechen dafür, dass der Aalbestand vergleichsweise stabil ist und eine genetische Verarmung (genetic bottleneck) nicht nachweisbar ist[23].

Studien zur jüngeren und älteren demografischen Historie zeigen weiterhin, dass die Population des Europäischen Aals zum Höhepunkt der letzten Eiszeit um zwei Größenordnungen kleiner war als heute[24],[25] und trotzdem in der Lage dazu war, sich anschließend wieder auszubreiten. Während der letzten Eiszeit wurde das verfügbare Aalhabitat stark durch die großflächigen Vereisungen eingeschränkt. Archäologische Funde begrenzen das refugiale Habitat auf die Mittelmeerregion und Südwesteuropa[26].

5. Aalbesatz steigert lokale Bestandsgrößen und verhindert, dass natürliches Habitat für den Bestand des Europäischen Aal verloren gehen. Es wäre fatal, geeignete Aalhabitate zugunsten wirtschaftlicher Interessen von Wasserkraftbetreibern aufzugeben

Viele der 81 europäischen Aalmanagementpläne[27] sind auf Besatz als Maßnahme zur Bestandserhöhung ausgerichtet. Ohne Besatzmaßnahmen können die Ziele vieler Aalmanagementpläne nicht erreicht werden. Ein Ende des Besatzes durch und mit Unterstützung der Angler bedeutet auf der einen Seite schlicht das Ende der deutschen Aalmanagementpläne. 15 Jahre behördliches Management, tausende ehrenamtliche Arbeitsstunden und finanzielle Investitionen im 10er Millionenbereich wären damit zerstört. Auf der anderen Seite wäre ein Ende des Besatzes oberhalb von Wasserkraftwerken eine Bankrotterklärung für den Gewässer- und Tierartenschutz in Deutschland, eine Kapitulation vor den wirtschaftlichen Interessen weniger Wasserkraftbetreiber. Der Erhalt und die Erreichbarkeit des natürlichen Aalhabitats oberhalb von Wasserkraftanlagen ist für uns nicht verhandelbar!

Als ein Hauptargument gegen Besatz wird häufig die hohe Mortalität während des Glasaalfangs angeführt. Allerdings konnten Simon et al. (2021)[28] nachweisen, dass diese in den letzten Jahren aufgrund von Verbesserungsmaßnahmen durch die 2007 erlassene Aalverordnung und die Einführung eines Sustainability Standards von durchschnittlich 42 Prozent[29] auf 7,2 Prozent gesunken ist.

6. Verbote sind kein Allheilmittel. Für den Aal würde sich die Situation durch ein Fangverbot sicherlich noch verschlimmern

Laut Einschätzung unseres Experten Florian Stein[30] ist die illegale Fischerei auf Glasaale viel zu lukrativ, als dass sie sich durch ein Fangverbot verhindern ließe. Ein Fangverbot würde laut seiner Einschätzung das Problem des illegalen Handels nicht lösen, sondern sogar verschärfen. Dazu kommt, dass mit dem Wegfall der legalen Fischerei und der nachgeschalteten, kontrollierten Wertschöpfungskette, die große Gefahr besteht, dass die EU jegliche Kontrolle verliert. Welchen Kriminellen kümmert ein Fangverbot, wenn er mit einem Kescher bewaffnet, mehrere tausend Euro in einer dunklen Nacht am Flussufer verdienen kann, in dem er die Babys eines Fisches fängt, den Dank des Fangverbots niemand mehr kennt?

 

[1] Bevacqua D, Melià P, Gatto M, & De Leo GA (2015). A global viability assessment of the European eel. Global Change Biology, 21(9), 3323-3335.

[2] Clavero M, & Hermoso V (2015). Historical data to plan the recovery of the European eel. Journal of Applied Ecology, 52(4), 960-968.

[3] Belletti B, Garcia de Leaniz C, Jones J, Bizzi S, Börger L, Segura G ... & Zalewski M (2020). More than one million barriers fragment Europe’s rivers. Nature, 588(7838), 436-441.

[4] https://www.consilium.europa.eu/de/policies/from-farm-to-fork/

[5] https://oceans-and-fisheries.ec.europa.eu/ocean/blue-economy/sustainable-blue-economy_en

[6] https://www.europa-mv.de/Service/Presse/?id=186360&processor=processor.sa.pressemitteilung

[7] bspw. Dorow M, Lill D, Ubl C (2017) Die Aalfischerei in den Küstengewässern von Mecklenburg-Vorpommern zwischen 1955 und 2015. Mitteilungen der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei M-V 58: 61-76

[8] https://www.lallf.de/fischerei/statistik/fischer-und-fahrzeuge/

[9] Dorow M, Kullmann L, Buck M & Frankowski J (2023) Yellow eel (Anguilla anguilla) density trends along the German part of the southern Baltic between 2009 and 2020. Fisheries Research 257, 106497.

[10] Dorow M, Lewin W-C, Lill D, Ubl C & Frankowski J (2021) Using logbook-based catch-rate data to detect yellow eel population trends in the southern Baltic Sea. Fisheries Management and Ecology 28: 564-572.

[11] https://www.eaa-europe.org/files/rec-fishforum-november-2022-kme-pdf_12400.pdf

[12] https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/tiere/binnenfischerei/aktuell/ein-taxi-fur-den-weseraal-201258.html

[13] Jepsen N, Sonnesen P, Klenke R & Bregnballe T (2010). The use of coded wire tags to estimate cormorant predation on fish stocks in an estuary. Marine and freshwater Biology 61, 320-329.

[14] AFZ Fischwaid (2022) Das Europäische Kormoranproblem. Leitartikel der Ausgabe 03/2022.

[15] Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Rheinland Pfalz (2022) Jahresbilanz der Aalschutzinitiative: Maßnahmen erzielen messbare Erfolge. Gezielte Abschaltung von Turbinen rettet wandernden Aalen das Leben. https://sgdnord.rlp.de/de/service/pressemitteilungen/detail/news/News/detail/jahresbilanz-der-aalschutzinitiative-massnahmen-erzielen-messbare-erfolge-gezielte-abschaltung-von/

[16] Eyler SM, Welsh SA, Smith DR, & Rockey, MM (2016). Downstream passage and impact of turbine shutdowns on survival of silver American eels at five hydroelectric dams on the Shenandoah River. Transactions of the American Fisheries Society, 145(5), 964-976.

[17] ICES. 2021. Joint EIFAAC/ICES/GFCM Working Group on Eels (WGEEL). ICES Scientific Reports. 3:85. 205 pp. https://doi.org/10.17895/ices.pub.8143

[18] Åström M, & Dekker W (2007). When will the eel recover? A full life-cycle model. ICES Journal of Marine Science, 64(7), 1491-1498

[19] Bornarel V, Lambert P, Briand C, Antunes C, Belpaire C, Ciccotti E, ... & Drouineau H (2018). Modelling the recruitment of European eel (Anguilla anguilla) throughout its European range. ICES Journal of Marine Science, 75(2), 541-552.

[20] Pujolar JM, Bevacqua D, Capoccioni F, Ciccotti E, De Leo GA, & Zane L (2011). No apparent genetic bottleneck in the demographically declining European eel using molecular genetics and forward-time simulations. Conservation Genetics, 12(3), 813-825.

[21] Enbody ED, Pettersson ME, Sprehn CG, Palm S, Wickström H, & Andersson L (2021). Ecological adaptation in European eels is based on phenotypic plasticity. Proceedings of the National Academy of Sciences, 118(4), e2022620118.

[22] Nikolic N, Liu S, Jacobsen MW, Jónsson B, Bernatchez L, Gagnaire PA, & Hansen MM. (2020). Speciation history of European (Anguilla anguilla) and American eel (A. rostrata), analysed using genomic data. Molecular Ecology, 29(3), 565-577.

[23] Pujolar JM, Bevacqua D, Capoccioni F, Ciccotti E, De Leo GA, & Zane L (2011). No apparent genetic bottleneck in the demographically declining European eel using molecular genetics and forward-time simulations. Conservation Genetics, 12(3), 813-825.

[24] Jacobsen M, Pujolar J, Gilbert M, Moreno-Mayar JV, Bernatchez L, Als TD, Lobon-Cervia J, Hansen MM (2014). Speciation and demographic history of Atlantic eels (Anguilla anguilla and A. rostrata) revealed by mitogenome sequencing. Heredity, 113, 432–442

[25] Kettle AJ, Heinrich D, Barrett JH, Benecke N, & Locker A (2008). Past distributions of the European freshwater eel from archaeological and palaeontological evidence. Quaternary Science Reviews, 27(13-14), 1309-1334.

[26] Kettle AJ, Heinrich D, Barrett JH, Benecke N, & Locker A (2008). Past distributions of the European freshwater eel from archaeological and palaeontological evidence. Quaternary Science Reviews, 27(13-14), 1309-1334.

[27] European Commission, Directorate-General for Maritime Affairs and Fisheries (2020) Evaluation of the Eel Regulation: final report, Publications Office. https://data.europa.eu/doi/10.2771/679816

[28] Simon J, Charrier F, Dekker W, & Belhamiti N (2022). The commercial push net fisheries for glass eels in France and its handling mortality. Journal of Applied Ichthyology, 38(2), 170-183

[29] Briand C, Sauvaget B, Girard P, Fatin D, & Beaulaton L (2012). Push net fishing seems to be responsible for injuries and post fishing mortality in glass eel in the Vilaine estuary (France) in 2007. Knowledge and Management of Aquatic Ecosystems, 404, 02.

[30] https://dafv.de/projekte/europaarbeit/item/578-auszeichnung-f%C3%BCr-den-kampf-gegen-illegalen-aalhandel

 

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